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Das Evangelium nach Satan

Das Evangelium nach Satan

Titel: Das Evangelium nach Satan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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dann erschlug er die ganze Familie mit der Axt und machte sich wieder auf den Weg. Allerdings fuhr er, um seine Spur zu verwischen, mit dem Motorrad der Bauernfamilie bis zur nächsten größeren Straße, wo er wieder Autos anhielt. Obwohl die Behörden eine wahre Menschenjagd veranstalteten, um seiner habhaft zu werden, schlüpfte er immer wieder durch die Maschen des ausgespannten Netzes. Die Orte, an denen er seine Opfer umbrachte, lagen so weit voneinander entfernt, dass es der Polizei nicht möglich war, ihm auf der Spur zu bleiben.
    Maria Parks, die durch einen ans FBI in Boston geschickten Bericht auf ihn aufmerksam geworden war, hatte sogleich die Handschrift des Täters erkannt, hinter dem sie schon seit Monaten her war. Besonders beunruhigend war der Fall, weil man weder Namen noch Gesicht des Mörders kannte, der da umherzog und ungehemmt seinem Tötungstrieb frönte. Dass er dabei stets nach dem gleichen Muster vorging, wies darauf hin, dass er sein System gefunden hatte und damit rundum zufrieden zu sein schien. Genau das aber hatte es Maria ermöglicht, ihn aufzuspüren, indem sie der von ihm hinterlassenen Fährte gefolgt war. Immerhin hatte er, bevor er sein Tätigkeitsgebiet nach Australien verlegt hatte, auch schon in der Türkei, in Brasilien und Thailand gemordet. Allerdings war er bei seinem jüngsten Mord in der Umgebung von Woomera dazu übergegangen, seiner bisherigen Vorgehensweise etwas hinzuzufügen, das die australische Polizei zwar in ihrem Bericht erwähnte, ohne ihm aber, wie es aussah, besondere Bedeutung beizumessen. Während seine Opfer bis dahin am Ort der Tat jeweils so aufgefunden worden waren, wie er sie getötet hatte, war er diesmal auf den Einfall gekommen, sie im Wohnzimmer auf das Sofa und die Sessel zu setzen und den Fernseher einzuschalten, bevor er sich davongemacht hatte. Maria sah das als Hinweis, dass er etwas Abwechslung in die Sache bringen wollte, weil er sich zu langweilen begann. Wann immer ein solcher Mörder sein Verhalten ändert und auf den Einfall kommt, etwas Neues auszuprobieren, nimmt seine Gefährlichkeit zu. Davon abgesehen muss man in einer solchen Situation außerdem damit rechnen, seine Fährte zu verlieren, weil das bisherige Verhaltensmuster nicht mehr zu erkennen ist. Daher hatte Maria nicht gezögert, das erste erreichbare Flugzeug nach Australien zu nehmen.
    Gleich nach der Landung in Alice Springs hatte sie Turnschuhe angezogen und versucht, per Anhalter zu reisen. Um Gillian Rays Fährte aufnehmen zu können, musste sie wissen, was für ein Gefühl es ist, den lauen Wind in den Haaren und den brennend heißen Asphalt unter den Füßen zu spüren. Sie musste am eigenen Leib erfahren, wie sich die bleierne Müdigkeit in den Muskeln ausbreitet, musste Wadenkrämpfe bekommen und die Tragriemen des Rucksacks in ihre Schultern schneiden lassen. Sie musste nachempfinden können, was Gillian Ray durch den Kopf ging, wenn er hinter sich ein Auto näher kommen hörte. Das herrliche Brennen im Unterleib, mit dem das Adrenalin in die Adern schießt. Den Durst des Vampirs, der die Kehle ausdörrt, und die unerträgliche, gewaltige sexuelle Anspannung. All das empfindet ein reisender Crosskiller wie Gillian Ray, wenn er seinem künftigen Opfer begegnet.
    Tagelang war sie auf der Jagd nach ihm über die Land-Straße marschiert. Sie hatte gespürt, wie sie anfing, mit ihm zu verschmelzen, je näher sie ihm kam. Auf seinem Weg zum Ozean hinterließ er am Ort der Verbrechen immer grausigere Arrangements. Er schien selbst nicht zu begreifen, welche Veränderung mit ihm vorging, nicht zu merken, dass sein Trieb ein Eigenleben entwickelte. Offenkundig war er maßlos wütend. Das hatte Maria am letzten Tatort erkannt. Enttäuscht und wütend. In jenem Augenblick war es ihr gelungen, in die Haut des Mörders zu schlüpfen.
    Die Sonne ging gerade über der Dornensavanne auf. Maria war soeben in den Kleinbus einer Studentin gestiegen, die auf dem Weg zu ihrer Tante in Perth war. Sie war schön und jung, unter dem Tuch, das sie um ihre Haare geknotet hatte, leuchtete ein gebräuntes Gesicht hervor. Ihre Shorts zeigten ihre Schenkel deutlich, und der Ausschnitt ihrer Baumwollbluse verhüllte ihre Brüste so gut wie nicht. Bei diesem Anblick hatte sich Maria mit einem Mal so heftig erregt gefühlt, dass ihre Lippen trocken wurden. Tötungsfantasien waren vor ihrem inneren Auge aufgestiegen: nackte Leichen voller Blut. Da hatte sie begriffen, dass es nicht mehr ihr Herz

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