Das Evangelium nach Satan
ursprüngliche Position eingenommen. Der Eingang zum Grab der Jesuiten ist auf immer verschlossen.
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Ein Signalton zeigt Maria, dass sie mit der Datenbank von Quantico verbunden ist. Mit flinken Fingern gibt sie ihr Kennwort ein und bekommt Zugang zu den gewünschten Informationen. Auf der Maske, die auf dem Bildschirm erscheint, klickt sie alles an, was zu Kalebs Profil gehört: männlich, Alter zwischen fünfunddreißig und vierzig, der weißen Rasse angehörig, helle Haut, braune Haare, blaue Augen. Da seine Fingerabdrücke nirgends gespeichert sind, überspringt sie die dafür vorgesehene Spalte und gibt als Nächstes ein, was sie über seine Zähne weiß, wie auch seine morphologischen Merkmale: Nase, Kinn, Lage und Gestalt der Brauen. Außerdem füllt sie die Spalten aus, in denen Knochenbau und Muskulatur abgefragt werden.
Als alle Felder ausgefüllt sind, öffnet sie den ihr von Crossman übergebenen Ordner und nimmt ein Foto von Kalebs durch die Schüsse stark entstelltem Gesicht heraus. Sie scannt es mit hoher Auflösung ein und ruft das für die Morphologie zuständige Programm auf. Es soll mithilfe des Fotos und den Angaben auf dem Formular den fehlenden Teil des Gesichts rekonstruieren.
Zuerst unten: die Rundung des Kinns, die Lippen und die Wölbung der Kiefer, die unter Marias Augen allmählich sichtbar werden. Dann kommen die Zähne an die Reihe. Anschließend füllt nach und nach das von den Schüssen zerfetzte Zahnfleisch den Mund.
Nach einer Weile geht das Programm zum oberen Teil des Gesichts über, bildet die Nase, die Schläfen, die Augenhöhlen und die Stirn entsprechend den Angaben nach. Vor Marias Augen schließen sich die offenen Wunden in der Kopfhaut, und auch der Knochenschädel ist nach einer Weile vollständig. Schritt für Schritt stellt das Programm die Gesichtshaut wieder her und projiziert dann den vollständigen Kopf auf den Bildschirm.
Als sie Kalebs wahres Gesicht sieht, schnürt sich Marias Kehle zusammen. Finster wölben sich dichte Brauen über dem kalten Blick des Mörders von Hattiesburg. Ohne große Hoffnung gibt sie das von Furunkeln und Narben entstellte Gesicht zusammen mit den anderen Angaben in das Suchmodul ein. Das System macht sich daran, Polizeiarchive auf der ganzen Welt zu durchkämmen. Vier Aufnahmen tauchen am rechten Rand des Bildschirms auf und verschwinden wieder, während das System die Suche immer mehr verfeinert. Dann blinkt »No match found« auf. Nirgendwo lässt sich eine Übereinstimmung finden. Ganz wie sie vermutet hatte, ist Kaleb bei keiner Dienststelle auf der Welt aktenkundig.
Jetzt gibt sie sein DNS-Profil ein und lässt das System erneut unter den Hunderttausenden der in den Archiven enthaltenen DNS-Muster suchen. Es zögert einen Augenblick bei einem Muster, das in den ersten Sequenzen eine Ähnlichkeit aufweist, nimmt dann die Suche wieder auf und bestätigt am Schluss deren Erfolglosigkeit. Maria reibt sich die Schläfen. Während sie sich eine Zigarette anzündet, betrachtet sie durch das Fenster die tief hängenden Wolken. Nachdem sie einen tiefen Lungenzug gemacht hat, lässt sie ihre Finger erneut über die Tastatur tanzen. Sie gibt die Suche nach einem bestimmten Täter auf und konzentriert sich jetzt auf die Vorgehensweise. Dazu fordert sie das System auf, aus der Datenbank in der Kategorie »Morde mit religiösem Hintergrund« registrierte Täter herauszufiltern, grenzt die Suche aber auf Friedhofsschänder und Psychopathen ein, die ihre Mordopfer gekreuzigt haben. Ideal wäre es, wenn dabei ein Mönch mit Narben herauskäme. Dann fürchtet sie, die Suche zu stark eingeschränkt zu haben, und löscht die zuletzt eingegebenen Suchkriterien. In das Feld »zu untersuchender Zeitraum« gibt sie ein »zehn Jahre« und drückt auf die Return-Taste.
Aus den gespeicherten Daten filtert das System achtzehn satanistische Verbrechen heraus, die sie sich näher ansieht. Sie alle haben zum Zeitpunkt der Jahrtausendwende stattgefunden. In jener Silvesternacht haben sich Wahntäter aller Schattierungen in Katakomben von Großstädten und in Wäldern zusammengefunden, um die Kräfte des Bösen zu beschwören. Bei diesen Opferfeiern haben sie Jungfrauen und Obdachlose gekreuzigt, um sich bei Satan lieb Kind zu machen.
Jetzt verlängert sie den Zeitraum auf dreißig Jahre. Vierzehn Ergebnisse blinken auf dem Bildschirm. Zwischen 1969 und 1972 hat der Geistliche Parkus Merry gewirkt, ein gläubiger Narr, der sich eingeredet hatte, Christus
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