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Das Evangelium nach Satan

Das Evangelium nach Satan

Titel: Das Evangelium nach Satan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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Rücken eine der Kabinentüren öffnet, erschrickt er. Er richtet sich auf und sieht in den Spiegel. Durch die Wassertropfen, die ihm über die Lider laufen, erkennt er das kleine Mädchen, das sich die Hände trocknet. Hinter der Kabinentür summt ihre Mutter ein Lied. Carzo entspannt sich. Er dreht den Wasserhahn zu und sieht erneut in den Spiegel. Das kleine Mädchen hat sich umgedreht und sieht mit ihren kleinen weißen und undurchsichtigen Augen zu ihm hin. Ihre Lippen öffnen sich und geben den Blick auf schwärzliche Zähne frei.
    »Sag schon, Carzo, wohin willst du?«

TEIL SECHS

1
    Als Maria sich auf den Weg macht, fällt der Schnee in dichten Flocken. In Bakerville liegt er bereits fast drei Zentimeter hoch. Die Menschen, die mit Einkaufstüten unterwegs sind und sich gegen den Wind stemmen, tragen gefütterte Stiefel.
    Sie bleibt auf der Interstate 70. Nach und nach verschwindet der Straßenbelag unter dem Schnee. Bei Bighorn, wo sie nach Süden abbiegen muss, um der Eisenbahnlinie zu folgen, sind Bordsteine und Gehwege nicht mehr zu erkennen. An den letzten Polizeiposten, an denen sie vorübergekommen ist, hat man den Autofahrern mitgeteilt, dass der Schnee in Boulder bereits dreißig Zentimeter hoch liegt und es dort weiter schneit.
    Inzwischen fährt sie auf einer dicken Schneeschicht südwärts. Nur ein einziges Mal hat sie angehalten, um eine Tasse Kaffee zu trinken und eine Zigarette zu rauchen. Die Nacht bricht bereits herein, als sie endlich die Lichter von Holy Cross City vor sich sieht. Im Licht der Scheinwerfer kommt es ihr vor, als fahre sie in eine Wand aus Flocken. Die Scheibenwischer werden kaum des Schnees Herr.
    Sie schaltet die Klimaanlage auf die höchste Stufe, um die Windschutzscheibe beschlagfrei zu halten. In der Ferne sieht sie die gelben Rundum-Blinkleuchten mehrerer Schneepflüge, die gewaltige weiße Massen von der Fahrbahn auf die Gehwege schieben. An einer Kreuzung lösen sich drei von ihnen aus der Kolonne und biegen nach rechts auf die Straße ein, die zum Kloster von Holy Cross führt. Vermutlich ist das der letzte Versuch, die Straße freizuhalten, denn dem Wetterbericht nach sollen die größten Schneemassen noch kommen. Es dürfte klüger sein, die Rückkehr dieser auf Ketten laufenden Dreißigtonner mit ihren verstärkten Stoßstangen abzuwarten, bevor sie sich in die Berge wagt.
    Sie sieht die blinkende Leuchtschrift eines Fernfahrerlokals und stellt ihr Fahrzeug zwischen zwei von einer dicken Schneeschicht bedeckte Wagen. Sie lässt den Motor und die Scheibenwischer weiterlaufen, während sie sich an die Kopfstütze lehnt und den Blick auf die blauen Ziffern der Uhr im Armaturenbrett richtet: 20.00.07. Am besten wäre es vermutlich, erst etwas zu schlafen, wenigstens ein paar Minuten, bevor sie sich an das letzte Stück bis zum Kloster macht. Sie kämpft einen Augenblick lang gegen diese Verlockung, versucht sich auf den lauwarmen Luftstrom aus der Klimaanlage zu konzentrieren, der ihr über das Gesicht streicht, dann auf das Geräusch eines mit klirrenden Schneeketten vorüberfahrenden Autos. Dann gibt sie nach und versinkt in einen tiefen Schlaf.

2
    Maria fährt hoch. Sie öffnet die Augen und sieht auf die beleuchtete Uhr am Armaturenbrett. 20:00:32. Sie hat nicht einmal eine halbe Minute geschlafen, aber ihre Kehle ist so ausgedörrt, dass es ihr vorkommt, als seien es Stunden gewesen. Sie schließt den Mantel und zieht ihre Handschuhe an. Als sie die Wagentür öffnet, verzieht sie das Gesicht beim Anprall der Kälte. Auf dem Weg zum Lokal knirscht der Schnee unter ihren Schuhen. Es riecht nach Menthol und gefrorener Baumrinde. Der Geruch der Kälte. Sie stößt die Tür auf. Drinnen hängt der Geruch nach abgestandenem Bratfett und Kaffee in der Luft. Die ganze Länge des Raums nimmt ein mit Hartplastik verkleideter Tresen ein, auf dem sich Berge fertiger Sandwiches stapeln und Ketchupspender aneinandergereiht sind. An den großen Fenstern stehen mit Kunstleder bezogene Bänke an Tischen, auf deren Resopalplatten sich der Boden kochend heißer Kaffeekannen kreisförmig eingebrannt hat. Erschöpft wirkende Gäste kauen fettige Hamburger und trinken Kaffee aus Pappbechern. Am anderen Ende des Tresens ertönt aus einer alten Musikbox Country-und Gospel-Musik. Ben Harper und die Blind Boys of Alabama, wenn Marias Ohren bei dem Schneesturm nicht eingefroren sind.
    Sie setzt sich auf eine der Bänke und sucht den Blick der Bedienung. Ein Lufthauch streicht ihr über

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