Das Exil Der Königin: Roman
diesem Jahr so … außerordentlich vielschichtig ist. Ich fühle mich richtig … zugehörig.«
Han starrte den Master an; er war sich nicht sicher, ob er sie gerade beleidigt oder einen Witz gemacht hatte, der auf seine eigenen Kosten ging.
Gryphon sah von den Papieren auf. Das Blaugrün seiner Augen war verblüffend, und als Han seinem Blick begegnete, lief es ihm kalt den Rücken herunter. Trotz seiner ungesunden Blässe hatte der Master ein hübsches Gesicht, das in schroffem Kontrast zu seinem Körper stand.
»Versierter Hadron hat mir mitgeteilt, dass ihr beide den Weg durch Arden genommen habt, um hierherzukommen. Arden ist heutzutage schon für jeden normalen Menschen ein gefährliches Pflaster, aber ganz besonders für Amulettschwinger. Was mich zu der Frage führt: Seid ihr beide dumm, nicht ausgebildet oder einfach nur vermessen?«
Aha. Das war ganz eindeutig eine Beleidigung. Han konnte nicht verhindern, dass er zu Micah hinsah, der zur Decke blickte. Ein schwaches Lächeln umspielte seinen Mund.
Han behielt sein Straßengesicht bei. »Ich hatte sicher schon bessere Ideen«, antwortete er und zuckte mit den Schultern.
Überraschung flackerte im Gesicht des Masters auf, und einige der anderen Studenten kicherten. Dann fiel Gryphons Blick auf Hans Amulett, und seine Augen weiteten sich. Er sah Han ins Gesicht und beäugte ihn eindringlich.
»Es ist interessant, dass du einen derart gefährlichen Weg einschlägst, Alister«, sagte er schließlich. »Du scheinst die Dunkelheit nicht zu fürchten.«
Han vermutete, dass Gryphon dabei ganz und gar nicht von Arden sprach.
»Nun«, entgegnete er und hielt dem blaugrünen Blick stand, »manchmal hat man keine Wahl.«
»Man hat immer eine Wahl«, widersprach Gryphon. Er öffnete das dicke Buch und sagte: »Da wir gerade von Reisen sprechen … ich hatte euch gebeten, das zwölfte Kapitel im Kinley zu lesen, über die Herausforderungen, die damit verbunden sind, auf den Pfaden von Aediion zu wandeln. Kinley weist uns an, dass …«
Die Tür zum Klassenzimmer öffnete sich, und zwei weitere Studenten traten ein. Han starrte sie an, ebenso wie alle anderen. Es waren Fiona Bayar und der liebestolle Wil, die ihn und Dancer über die Grenze nach Delphi verfolgt hatten.
Sie wirkten von der Reise mitgenommen und gereizt, woraus Han schloss, dass sie gerade erst angekommen und direkt in den Unterricht geschickt worden waren, nachdem sie ihr Gepäck in ihrem Wohnheim abgegeben hatten. Wils Gesicht war von der Sonne gebräunt, aber Fiona war so bleich wie immer, als würde die Sonne sich nicht trauen, ihre eisige Haut zu durchdringen. Sie hatte ihren Zopf gelöst, und die Haare fielen ihr in langen Wellen über die Schultern.
Sie trug Reisekleidung – einen grob gestrickten Pullover, eine Cordjacke und eine Hose aus Segeltuch, die ihre langen Beine betonte – und nicht das Gewand der Studenten.
Fiona musterte die anderen im Raum mit ihrem kühlen Blick. Als sie Master Gryphon entdeckte, weiteten sich ihre Augen vor Überraschung. »Adam!«, rief sie, als wäre nicht die gesamte Klasse dabei und würde alles mitbekommen. Sie wandte sich an Wil. »Sieh nur, Wil, es ist Adam Gryphon … wer hätte das gedacht.«
Beim Blute des Dämons, dachte Han. Mein Lehrer für Zaubersprüche ist ein Duzfreund der Bayars. Kein Wunder, dass ich eine richtig gute Zielscheibe abgebe.
Fiona trat vor und streckte Master Gryphon ihre Hand entgegen, als erwartete sie, dass er sie nahm und küsste. »Vater hat mir gesagt, dass du dem Orden beigetreten wärst, aber ich hatte keine Ahnung …«
Master Gryphons Gesichtsfarbe hatte inzwischen eine erstaunliche Veränderung durchgemacht und ein tiefes, himbeerfarbenes Rot angenommen. Er machte keine Anstalten, ihre Hand zu nehmen, sondern umklammerte das Pult mit so festem Griff, dass seine Knöchel weiß wurden. »Es heißt Master Gryphon, Neuling Bayar«, belehrte er sie kalt. »Und auch wenn ich zu den Lehrkräften von Mystwerk House gehöre, bitte ich zu bemerken, dass ich das Gelübde weder bereits abgelegt habe noch vorhabe, es zu tun.«
Fiona zog ihre Hand zurück; sie begriff, dass sie keinen Kuss bekommen würde. »Wirklich? Dann muss ich da etwas falsch verstanden haben. Es schien mir aber eine gute Sache zu sein angesichts deiner … Situation.«
»Eine gute Lösung für einen Krüppel, meinst du das?«, fragte Master Gryphon leise. »Möglicherweise. Nun, wie schön, dass ihr beide, du und Neuling Mathis, es wohlbehalten
Weitere Kostenlose Bücher