Das Exil Der Königin: Roman
während Han und Fiona zu ihren Plätzen gingen. »Neuling Alister, Lady Bayar. Ihr kommt zu spät.«
Irgendein Dämonengeist veranlasste Han zu sagen: »Entschuldigung, Sir. Lady Bayar brauchte Hilfe bei der Hausaufgabe.«
Fiona schoss ihm quer durch den Raum einen ungläubigen Blick zu.
Gryphon sah ihn eine ganze Weile an; seine unwirklich türkisfarbenen Augen hoben sich deutlich von dem blassen Gesicht ab. » Du , Alister, bist in den vergangenen zwei Wochen vier Mal zu spät gekommen. Es scheint, als würdest du lieber schlafen als am Unterricht teilnehmen. Vielleicht hältst du ihn für Zeitverschwendung. Vielleicht glaubst du, du wärst über unsere schwachen Bemühungen erhaben.«
»Nein, Sir, das ist nicht wahr«, sagte Han. »Ich bin einfach nur noch sehr lange auf gewesen, um noch zu arbeiten, und …«
»Dann fasse das neunte Kapitel für uns zusammen.« Gryphon stieß den Kopf nach vorn wie ein Raubvogel.
»Das neunte Kapitel.« Han benetzte seine Lippen. Er hatte den Kinley tatsächlich nicht einmal geöffnet, da er die ganze Nacht mit Crow zusammen gewesen war. »Es tut mir leid, Sir. Ich habe es nicht gelesen.«
»Nicht?« Gryphon wölbte eine Braue. Er kritzelte etwas auf ein Stück Papier, faltete es zusammen und schob es nach vorn an sein Pult. »Du bist für den Rest dieses Semesters vom Unterricht ausgeschlossen. Bitte bringe diese Nachricht in das Büro von Dekanin Abelard. Fünfter Stock.«
Das Büro von Dekanin Abelard befand sich drei Stockwerke über dem Vorlesungssaal. Han schleppte sich wie ein kleines Kind nach oben, das eine Tracht Prügel erwartet. Er hatte die Dekanin zwar in ihrer Studiengruppe getroffen, Woche für Woche, aber er war jeder Möglichkeit, ihr allein zu begegnen, aus dem Weg gegangen.
Ausgerechnet an Gryphons Unterricht lag Han am meisten. Zaubersprüche, Beschwörungsformeln, die Benutzung der Amulette – abgesehen von Abelards Studiengruppe war es das einzige Fach, das mit seinen eigenen Zielen übereinstimmte. Er lernte von Crow, aber er wollte bei seiner magischen Ausbildung nicht allein auf ihn angewiesen sein. Er wollte mehr als nur Zaubersprüche zur Verteidigung und zum Töten erlernen.
Als der Versierte ihn in Abelards Büro weiterwinkte, sah er die Dekanin an irgendwelcher Korrespondenz arbeiten. »Setz dich, Alister«, sagte sie und bedeutete ihm, Platz zu nehmen.
Er setzte sich in den Sessel.
Abelard lehnte sich in ihrem Schreibtischsessel zurück und legte die Hände auf den Tischrand. »Nun? Was ist es diesmal? Solltest du nicht im Unterricht sein?«
Er reichte ihr das Stück Papier. »Master Gryphon hat mich wegen Zuspätkommens vom Unterricht ausgeschlossen.«
Abelard überflog die Nachricht. »Ich verstehe. Hast du etwas dazu zu sagen?«
»Ich war zu spät. Ich hatte verschlafen.«
»Hmm.« Sie ließ den Zettel auf den Tisch fallen. »Wie ich sehe, tauchst du in seinem Unterricht nur noch unregelmäßig auf. Ständig kommst du zu spät. Deine Leistungen bei Prüfungen und praktischen Übungen sind dennoch weit besser als die deiner Studienkollegen. Wie erklärst du dir das?«
Han zuckte mit den Schultern. »Ich arbeite hart. Deshalb habe ich ja auch verschlafen. Ich war noch lange auf.«
»Und dann, wenn du in der Klasse auftauchst, ist dein Amulett fast vollständig entleert«, sagte Abelard.
»Ich versuche immer, es aufzuladen. Vielleicht bin ich doch nicht so mächtig.« Han blickte auf den Tisch.
»Vielleicht fühlst du dich im Unterricht nicht genügend gefordert?« Abelard klopfte mit den Fingern auf Gryphons Zettel.
»Nein, das ist es nicht. Ich ziehe eine Menge aus Gryphons Unterricht. Ich wollte pünktlich sein. Ich habe mich nur verschätzt.«
»Mit wem arbeitest du noch zusammen, Alister?«, fragte Abelard leise. »Unterrichtet dich noch jemand anderes?«
Han brachte einen verblüfften Blick zustande. »Meine Lehrer sind die gleichen wie die von allen anderen. Gryphon, Leontus, Firesmith …«
»Lüg mich nicht an.« Die Augen der Dekanin funkelten. »Ich habe die Macht, dir das Leben sehr, sehr schwer zu machen.«
»Ich lese viel«, sagte Han. »Ihr könnt fragen, wen Ihr wollt. Ich bin ständig in der Bibliothek.« Er sah sie an. »Wenn ich den Meuchelmörder für Euch spielen soll, muss ich viel lernen, damit ich am Leben bleibe.«
Sie starrten sich einen langen Moment an. Abelard war schließlich die Erste, die wegblickte. »Möchtest du, dass ich Master Gryphons Anordnung aufhebe?«, fragte sie und zog ein
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