Das Exil Der Königin: Roman
können.«
»Du hast das ganze Semester über furchtbar geschuftet«, fügte Hallie hinzu. »Ich werde morgen aufbrechen und nach Hause reisen, also ist dies unsere letzte Chance, zusammen auszugehen.«
Hallie war die Einzige der Grauwölfe, die die Sonnwendferien über zu Hause sein würde. Obwohl die Reise hin und zurück länger dauerte als der Besuch selbst, war es ihr das wert, um die Zeit mit ihrer Tochter Asha zu verbringen.
Raisa wartete, bis Talia in den Waschraum ging, dann zog sie Hallie beiseite. »Hallie, würdest du einen Brief für meine Mutter mit zurück zu den Fells nehmen?«, fragte sie leise. »Ich habe ihn fast fertig geschrieben und kann ihn später auf dein Bett legen.«
»Natürlich«, sagte Hallie. »Aber wie finde ich sie? Wo wohnt sie?«
»Lord Averill vom Demonai-Camp ist mit meiner Mutter befreundet«, erklärte Raisa. »Wenn du den Brief zu ihm bringst, wird er dafür sorgen, dass sie ihn bekommt. Und falls es eine Antwort gibt, könntest du sie mir wieder mitbringen.« Sie machte eine Pause. »Aber sorge dafür, dass er nur in seine Hände gelangt. Niemand sonst darf ihn bekommen. In Ordnung?«
»Hab’s verstanden«, nickte Hallie.
»Und bitte, sag niemandem etwas davon«, fügte Raisa hinzu. Ganz besonders Amon Byrne nicht, dachte sie.
Hallie zuckte mit den Schultern. »Wenn du es so möchtest. Was ist jetzt mit dem Essen? Ich weiß, dass du nicht gern in Schenken gehst, aber es ist immerhin ein Feiertag.«
Raisa schüttelte den Kopf. »Danke, dass du fragst, aber ich werde im Speisesaal essen, etwas lesen und dann früh zu Bett gehen.« Sie gähnte ausgiebig. »Wenn ich um Mitternacht noch wach sein sollte, werde ich vom Hof aus zusehen.«
»Dann bleiben wir auch hier und essen zusammen mit dir«, entschied Talia, die aus dem Waschraum zurückgekommen war. »Wir können dir Gesellschaft leisten. Und wer weiß, was das Feuerwerk angeht, änderst du deine Meinung ja vielleicht noch.«
»Nein«, schnappte Raisa. » Es geht mir gut . Werft bitte meinetwegen nicht eure Pläne über den Haufen.«
Sie sah auf. Amon stand in der Tür. Seine grauen Augen waren dunkel vor Schmerz.
Und so gingen schließlich alle zur Brückenstraße, nicht ohne noch einige Blicke zu ihr zurückzuwerfen, aber niemand versuchte mehr, sie zu überreden.
Der Speisesaal war beinahe leer. Ausnahmsweise einmal gab es richtig viel Fleisch, und auch mit an Zuckerwatte verzierten Kuchen und Sonnwendplätzchen, die wie kleine Sonnen aussahen, wurde nicht gespart. Als Raisa gegessen hatte, kehrte sie nach Grindell House zurück und schrieb den Brief an Königin Marianna noch einmal ab. Nachdem sie ihn auf Hallies Bett gelegt hatte, breitete sie ihre Bücher im Gemeinschaftsraum aus und öffnete Eine kurze Geschichte der Kriegskunst in den Sieben Reichen . Trotz des Titels war das Buch achthundert Seiten lang. Nur gut, dass sie nicht die lange Version lesen musste.
Sie wusste, dass sie im nächsten Semester die Geschichte der Kriegskunst Teil II bei Tourant lernen würde. Vorausgesetzt, dass sie Teil I bestand. Aber es erschien ihr unmöglich, dass sie bei einem Thema versagte, das sie so faszinierend fand. Sie hätte sich nur gewünscht, dass Master Askell die Prüfungen durchführte und nicht Tourant.
Raisa öffnete das Buch und verlor sich schon bald darin. Einige der Kapitel über den Einsatz von Magie in der Kriegskunst bezogen sich auf Hanalea, die nach der Großen Zerstörung drei Angriffsspitzen eingesetzt hatte, um gegen die Piraten, die Banditen und eine Invasion aus dem Süden vorzugehen. Die Kriegerkönigin war eine Erneuerin, die einige Risiken auf sich genommen hatte. Ihr Erbe währte bis zu diesem Tag.
Was für ein Erbe würde sie, Raisa, wohl einmal hinterlassen? Eines der Trauer und Enttäuschung?
Raisa lehnte sich zurück und rieb sich die Augen. Im Wohnheim war es so still wie in einem Grab. Die Tempelglocken läuteten; es war neun Uhr.
Plötzlich konnte sie die Vorstellung nicht mehr ertragen, in dieser feierträchtigsten aller Nächte – in der es keine Sperrstunde gab – allein in diesem Zimmer zu sitzen. Wir begrüßen ein neues Jahr, dachte sie. Eine neue Zeit für neue Chancen. Vielleicht ist es die Nacht, um selbst ein Risiko zu wagen.
Es würde auf jeden Fall nicht schaden, wenn sie nach draußen ging und etwas frische Luft schnappte, beschloss sie und riss ihren Umhang vom Haken an der Wand.
Als sie aus der Tür war, wandte sie sich Richtung Fluss. Sie konnte Musik von
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