Das Exil Der Königin: Roman
legte sich etwas. »Ja, das habe ich bemerkt.«
Hmm, dachte Raisa. Vielleicht lag der Schlüssel zum Lügen ja darin, dass man die Wahrheit auf irreführende Weise mitteilte.
»Du bist dran«, forderte sie ihn auf. »Du hast gesagt, du wärst mir gefolgt.«
»Nun … ja. Siehst du, Cat hat mir gesagt, dass sie dich gesehen hat. Draußen vor dem Tempel.« Er räusperte sich. »Sie sagte, dass du möglicherweise in Grindell wohnen würdest, weil da auch – äh – Korporal Byrne wohnt.«
»Hat sie das gesagt, ja?« Raisa presste die Lippen fest zusammen; sie spürte, wie ihre Wangen brannten. Was mochte Cat ihm erzählt haben, nachdem sie gesehen hatte, wie sie Amon nachspioniert hatte?
»Also ich … ich wollte herausfinden, ob das wirklich du warst. Ich habe vor eurem Wohnheim gewartet und gesehen, wie alle anderen weggegangen sind.«
Hattest du am Abend der Sonnwendfeier nichts Besseres zu tun?, dachte Raisa.
»Dann hab ich gesehen, wie du allein fortgegangen bist. Und ich bin dir einfach nachgegangen.«
»Du hast mich verfolgt, meinst du. Das war unangemessen, Alister. Du hast Glück, dass ich nicht dir einen Finger gebrochen habe.«
Er wölbte eine Augenbraue in einer Art und Weise, die besagte: Das würde nie passieren .
»Versteh doch. Ich wollte mit dir sprechen«, erklärte er. »Aber ich wusste nicht … wie du das aufnehmen würdest. Oder wie es zwischen dir und Korporal Byrne steht.«
»Was sollte meine Freundschaft mit Korporal Byrne mit dir zu tun haben?«, fragte Raisa eisig.
»Willst du noch etwas Tee?«, fragte Han und nahm ihren Becher, als wäre er bemüht, die Spannung aufzulösen, die zwischen ihnen knisterte. Ihre Hände stießen aneinander, und Raisa riss ihren Becher zurück und vergoss den Rest, der noch darin gewesen war.
»Tut mir leid«, sagte sie. »Ich bin heute etwas ungeschickt.«
Sie war sich nur zu deutlich bewusst, dass sie hier oben ganz allein waren, und sie achtete die ganze Zeit auf den Abstand zwischen ihnen. Ihr Blick schweifte immer wieder zu den verknitterten Laken in der Ecke. Was war nur an diesem Alister, dass sie jedes Mal, wenn sie ihm begegnete, auf solche seltsamen Gedanken kam?
Die Glocken im Mystwerk-Turm läuteten. Raisa zählte mit. Elf. Noch eine Stunde bis zum Feuerwerk.
Han schien es als Zeichen zu nehmen, zum Kern der Sache zu kommen. »Hör zu, Rebecca«, sagte er. »Ich bin dir gefolgt, weil ich dich um einen Gefallen bitten möchte.«
Raisa sah überrascht auf und stellte fest, dass Han nach unten auf seine Hände starrte. Er war ganz eindeutig nicht daran gewöhnt, jemanden um einen Gefallen zu bitten. Oder zu bekommen, worum er bat.
»Also«, antwortete sie verblüfft. »Ich werde ganz sicher … Was kann ich für dich tun?«
»Ich habe mich gefragt … ob du mich … Würdest du mich unterrichten?«
» Dich unterrichten?« Sie musterte sein Gesicht, um herauszufinden, ob er sich einen Witz mit ihr erlaubte. Aber er wirkte vollkommen ernst und wich ihrem Blick aus.
»Ich dachte, du hättest bereits einen Lehrer.«
»Stimmt. Hab ich auch. Aber es gibt Dinge, die ich wissen muss, die er mir nicht beibringen kann.«
»Aber … du weißt, dass ich keine Ahnung von Magie habe«, sagte sie. »Ich kann dir dabei nicht helfen.«
»Darum geht es nicht.« Er befingerte verlegen sein Handgelenk, an dem sich einmal ein Reifen befunden hatte.
Raisa wusste nicht, was sie sonst noch sagen konnte, ohne dass es beleidigend geklungen hätte. Hatte ein Streetlord vorher eine Ausbildung gehabt? Wenn nicht, würde er im Unterricht in Odenford ganz schön zu kämpfen haben.
»Nun … wobei brauchst du Hilfe? Geschichte? Rechnen?« Raisa zählte all die Fächer auf, in denen sie selbst gut war. Sie hoffte, dass er Hilfe beim Rechnen brauchte. Sie konnte besonders gut mit Zahlen umgehen, da sie so viel Zeit auf den Clan-Märkten verbracht hatte. »Ich habe ein paar Bücher, die …«
Han wedelte ungeduldig mit der Hand, um ihren Vortrag zu unterbrechen. »Nein, in so was bin ich gut. Redner Jemson hat mich gut vorbereitet. Und ich werde jeden Tag im Unterricht noch mehr mit diesem Zeug vollgestopft.«
»Was könnte ich dir dann …«
»Rebecca.« Han beugte sich vor und sah ihr direkt in die Augen. Seine waren so klar und blau wie Tiefsee-Eis. »Ich möchte, dass du mir beibringst, mich so zu benehmen, dass ich als Blaublütiger durchgehe.«
»Was?« Raisa starrte ihn an.
»Ich bezahle auch dafür«, beeilte er sich hinzuzufügen. »Ich habe Geld.
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