Das Exil Der Königin: Roman
ich dich nicht verletzen werde«, sagte er schließlich, »weil es eine Menge gibt, das ich nicht kontrollieren kann. Aber ich kann dir versichern, dass dich zu verletzen das Letzte ist, was ich tun möchte.«
»Du wirst es nicht verhindern können«, antwortete Raisa und wischte sich über die Augen. »Und es geht nicht nur darum, dass du mich verletzt. Ich werde dich auch verletzen, auch wenn ich es nicht will. Ich bin nicht das Mädchen, für das du mich hältst. Und du wirst dich an diese Unterhaltung erinnern und dir wünschen, du hättest auf mich gehört.« Sie legte ihre Hände in seine. »Wie kannst du das hier wollen, wenn du von Anfang an weißt, dass es schlecht enden wird?« Sag ihm die Wahrheit , drängte eine Stimme in ihrem Kopf. Aber sie konnte es nicht. Sie traute sich nicht.
Sein Blick suchte etwas in ihrem Gesicht, als wollte er die Geschichte hinter ihren Worten finden. Dann küsste er ihre Augenlider und die Nasenspitze und wieder ihre Lippen. Und mit jedem Kuss schwand ihr Widerstand mehr.
»Ich lebe in der Gegenwart«, sagte Han, »denn die Zukunft ist immer voller Risiken. Wenn es darum geht, mit dir zusammen zu sein, bin ich bereit, das Risiko einzugehen. Bist du es auch?«
»Jetzt komme ich mir wie ein Feigling vor, wenn ich es nicht bin.« Raisa lehnte sich an ihn. Sie sah zu seinem Gesicht hoch und tastete mit dem Zeigefinger über die Narbe an seinem Auge. »Woher hast du die?«, fragte sie.
»Ich bin ein Risiko eingegangen«, sagte er, während seine blauen Augen unverwandt auf ihr Gesicht geheftet waren.
»War es das wert?«
Er dachte darüber nach. »Ja.«
»Also gut«, sagte Raisa und gab nach. »Gehen wir ein Risiko ein. Aber wir werden langsam machen.«
Seine Arme schlossen sich wieder fester um sie. Sie spürte das Pochen seines Herzens an ihrem Rücken. »Ich will nicht langsam machen«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Wie ich schon sagte, ich lebe in der Gegenwart. Jedes Mal, wenn ich etwas für die Zukunft beiseitelege, wird es mir weggenommen.«
»Ich weiß«, antwortete Raisa. »Aber wir werden trotzdem langsam machen.«
KAPITEL SIEBENUNDZWANZIG
Wenn Träume
zu Albträumen werden
H an öffnete die Augen und starrte zur Decke der Bayar-Bibliothek über sich.
Er lag auf dem Holzfußboden seines Verstecks, und seine steifen Gelenke verrieten ihm augenblicklich, dass er das schon seit Stunden tat. Als er sich mit der Hand durchs Gesicht fuhr, kam es ihm so vor, als wäre es stoppeliger als sonst. Seit wann lag er hier? Wie üblich hatte er das Gefühl, als würde ihm eine große Zeitspanne fehlen, für die er keine Erklärung hatte.
Er massierte sich die Schläfen und versuchte, sich zu erinnern, was in der Sitzung mit Crow passiert war. Crow hatte ihm gezeigt, wie er andere Magier nach Aediion mitnehmen konnte. Er hatte ihm die entsprechende Technik beigebracht, und Han hatte sich die Beschwörungsformel eingeprägt.
Han setzte sich auf und wartete darauf, dass sein Kopf sich nicht mehr drehte, dann mühte er sich auf die Beine. Etwas knisterte unter seinem Umhang. Er tastete danach und fand einige zusammengefaltete Blätter. Vorsichtig faltete er sie auseinander. Die Seiten waren so vergilbt und brüchig, dass sie aussahen, als wären sie aus einem der uralten Bücher in den Stockwerken über ihm herausgerissen worden.
Auf einem Blatt war eine gezeichnete Karte zu sehen. Die Tinte war verblasst, und überall waren Wasserflecken. In zittriger Schrift stand in einem Bogen über der Zeichnung: »Gray Lady«. Han ließ sich auf seine Fersen nieder. Gray Lady war der Berg am Rande des Vale; der Sitz des Magierrats befand sich dort, und auch die Häuser der bedeutendsten Magier des Vale. Er musterte die Zeichnung. Auf der Karte sah es so aus, als wäre der Berg von Tunneln durchlöchert, deren Eingänge besonders hervorgehoben worden waren.
Auf der Rückseite des Blatts stand eine Bemerkung in seiner eigenen Handschrift. Verberge dich; schütze dich – H. Alister.
Das Ganze kam ihm absolut fremd vor. Woher war diese Seite? Was hatte sie zu bedeuten?
Sickerte Aediion jetzt in sein wirkliches Leben hinein?
Er forschte auf den anderen Seiten nach, auf denen Beschwörungsformeln in einer so alten Sprache geschrieben standen, dass er sie kaum entziffern konnte. Ganz unten auf einer Seite standen eine Reihe großer, kunstvoll gezeichneter Buchstaben. SKHAW . Und das Abzeichen, das er schon einmal zuvor gesehen hatte – die Schlange, der Stab und die Krone. Das Zeichen,
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