Das Exil Der Königin: Roman
Becher zurück und kroch in ihr Zelt, in dem es nur Bruchteile wärmer war als draußen. Sie fand ihr Wehrgehänge und hängte es sich über die Schulter. Im hinteren Teil des Zeltes hockte sie sich hin, schob ihr Schwert unter dem Zeltstoff hindurch nach draußen, wo sie es unter dem Regenschutz und Windfang ablegte, um danach selbst rücklings unter der hinteren Zeltwand hindurch in den Regen zu rutschen.
Als sie wieder stand, schob sie ihr Schwert in das Wehrgehänge. Im Schutz der Zelte ging sie auf den Ausgang der Schlucht zu, bis sie das Abortzelt erreichte, das sich am weitesten entfernt von allen anderen befand. Sie wartete, bis Hallie damit beschäftigt war, Feuerholz aufzuschichten, und schlüpfte dann zwischen den letzten Bäumen hindurch aus der Schlucht.
Bei den Demonai hatte Raisa gelernt, Spuren zu lesen. Sie suchte den Boden ab, bis sie zwischen den Blättern einen halb angefrorenen Stiefelabdruck fand. Und da war noch einer, in dem sich Wasser gesammelt hatte, das an den seichten Stellen gefror. Sie konnte einen Pfad erkennen, der sich durch Amons tägliche Reisen nach Wohin-auch-immer in den matschigen Boden gegraben hatte.
Raisa folgte diesem Pfad etwa eine Meile. Sie wischte sich Regen aus dem Gesicht und blinzelte Eis von den Lidern. Der Pfad führte an einem klaren, halb zugefrorenen Bach entlang, bevor er scharf nach Westen abbog und zu einem Espenwald anstieg, um schließlich bei einer Hochlandwiese zu enden. Hier, am Rand der Wiese, blieb Raisa zwischen den Bäumen stehen und spähte nach draußen.
Mit nichts weiter als Hose und Unterhemd bekleidet, stand Amon mitten auf der Wiese. Seinen Schwertgürtel und die anderen Ausrüstungsgegenstände hatte er am Rand des Feldes ordentlich übereinandergelegt.
Er hatte einen langen Stock in den Händen und bewegte sich unaufhörlich, duckte sich, drehte sich, wirbelte herum; der Stock war nur verschwommen zu sehen, während er ihn über den Kopf schwang, nach vorn stieß, nach oben reckte oder über den Boden zischen ließ. Es war ein geschickter Tanz, in dem Amon sich ganz offensichtlich schon seit geraumer Zeit übte. Sein Gesicht glänzte schweißnass, und die dunklen Haare lagen in nassen Strähnen über seiner Stirn. Seine Haut dampfte in der kühlen Luft.
Raisa starrte ihn an – starrte die Muskeln an, die über seiner Brust und seinen Armen spielten – und vergaß sämtliche guten Vorsätze. Er war wunderschön und tödlich und vollkommen unbefangen und mit so viel Eifer bei der Sache, als wollte er sich bis zur Erschöpfung treiben. Dabei wirkte er nicht so, als würde ihm das Ganze Spaß machen. Es sah eher aus wie eine Strafe. Sie konnte seine keuchenden Atemzüge hören.
Wie im Namen der Herrin konnte er so leicht bekleidet trainieren? Es war eiskalt. Raisa zitterte, als die Kälte – nun, da sie sich nicht mehr bewegte – noch tiefer in sie eindrang.
Sie blieb noch einen weiteren langen Moment gebannt stehen, während sie mehr und mehr der Mut verließ. Es war falsch, was sie tat. Es war falsch, ihm nachzuspionieren. Was immer hier vor sich ging, er wollte nicht, dass andere es mitbekamen. Sie würde einen anderen Zeitpunkt finden, um ihm ihre Meinung zu sagen. Sie würde zum Lager zurückkehren, sich wieder in ihr Zelt schleichen und dort bleiben, bis er zurückkam.
Du bist einfach nur feige, dachte sie.
Aber bevor sie sich bewegen konnte, verharrte Amon plötzlich mitten in einem Bewegungsablauf. Er hielt den Stock waagerecht vor sich und neigte den Kopf leicht zur Seite. Dann richtete er den Stock senkrecht auf, drehte sich um und starrte direkt dorthin, wo Raisa sich versteckte.
»Rai?«, flüsterte er.
Bei den Gebeinen. Woher wusste er das? Befangen trat sie zwischen den Bäumen hervor. Sie starrten sich über das gefrorene Gras und die niedrigen Büsche hinweg an.
»Ich habe dich gesucht«, sagte sie. »Ich habe mich gefragt, was du tust.«
»Bist du allein hier? Wo ist Hallie?« Er sah sich um, als könnte es sein, dass sich noch andere Kadetten im Gebüsch versteckten.
Hallie sollte also auf mich aufpassen, dachte Raisa. So viel dazu, dass sie nur ein weiterer Soldat war. »Ich habe mich weggeschlichen. Sie glaubt, ich bin in meinem Zelt.«
»Du hättest nicht herkommen sollen. Es ist nicht sicher für dich, ganz allein hier draußen.«
»Wenn es hier für mich nicht sicher ist, ist es auch für dich nicht sicher«, entgegnete Raisa. »Frierst du denn gar nicht?«
»Nein. Nein, ich friere nicht«, sagte
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