Das Exil Der Königin: Roman
fleckige Wolken rollten heran und verwandelten das mittägliche Licht in ein eigenartiges Zwielicht. Han beschwor eine Wildlederjacke herbei, die mit Pelz gesäumt war. Die anderen machten es ihm nach und legten sich angesichts der sinkenden Temperatur andere Kleidung zu.
»Hast du das getan?«, wollte Gryphon von Han wissen. Er musterte den Himmel. »Hast du das Wetter geändert, meine ich?«
Han schüttelte den Kopf. Er konnte es sich nicht erklären. Hatte vielleicht einer der anderen das zustande gebracht? Micah oder Fiona? Sie alle hielten ihre Amulette fest, aber sie starrten besorgt zum Himmel hoch, also war es unwahrscheinlich. Han hatte Aediion noch nie zuvor mit einer Gruppe betreten. Es war schwer zu sagen, wer wirklich die Kontrolle hatte.
Blitze zuckten über den Himmel und verwandelten ihn in ein wildes Durcheinander aus grässlichen Grün- und Purpurtönen. Es donnerte so heftig, dass sie sich die Ohren zuhalten mussten.
»Das reicht, Alister«, sagte Mordra. Sie zog den Kopf ein wie eine Schildkröte. »Wir haben’s kapiert.«
Han packte sein Amulett und versuchte, besseres Wetter zu beschwören, aber es gelang ihm nicht. Selbst wenn es sich um eine Illusion handelte, war dieser herannahende Sturm nur schwer zu ignorieren.
»Wer ist das?«, fragte Dekanin Abelard, während sie die Augen mit einer Hand beschattete und an Han vorbeispähte.
Han drehte sich um und schnappte überrascht nach Luft.
Es war Crow, jetzt noch weit schöner gekleidet als je zuvor. Seine Kleidung war aus strahlend goldenem Tuch, das seine mitternachtsschwarzen Haare besonders gut zur Geltung brachte. In seiner Hand hielt er ein juwelenbesetztes Schwert. Inzwischen war es so dunkel wie bei Einbruch der Nacht, aber das wirkte sich kaum aus. Crow beleuchtete die gesamte Straße.
Zielstrebig schritt er mit ausgestrecktem Schwert auf sie zu. Auf seinem Gesicht lag ein Lächeln, das einem das Blut in den Adern gefrieren ließ, und um ihn herum erstrahlte eine Flamme wie ein Heiligenschein.
Han baute sich zwischen Crow und Abelards Gruppe auf. »Was machst du hier?«, fragte er. Er hatte Crow nichts darüber erzählt, wann oder wo sie sich treffen wollten. Wie hatte er es herausgefunden?
»Alister!«, rief Abelard. »Ich verlange, dass du dies auf der Stelle aufklärst! Ist diese Person deine Schöpfung oder jemand, den du kennst?«
Crow zuckte gereizt. Er drehte sich um, schnippte mit der Hand, und eine gigantische Flammenwand explodierte aus der Straße und trennte Han und die Bayars von den anderen. Mit einer Geste brachte er die Flammenwand in Bewegung, und sie vertrieb die anderen von der Straße. Han konnte jenseits des lodernden Feuers Geschrei und Rufe hören.
Er wirbelte herum und sah Crow wieder an. »Was tust du da?«
»Das hier betrifft nur dich und die Bayars«, sagte Crow. »Die anderen haben sich da nicht einzumischen.« Er stand vor den Bayar-Zwillingen und wurde noch größer und strahlender, bis er die beiden vollkommen in den Schatten stellte. »Ah«, sagte er hämisch. »Endlich. Darauf habe ich lange gewartet.«
»Was meinst du damit?«, fragte Micah und beschattete seine Augen mit dem Unterarm. »Ich kenne dich nicht.«
»Aber ich kenne dich «, sagte Crow. »Ich weiß, wer und was du bist.« Er schnippte lässig eine Flamme von seiner Schwertspitze. Sie schoss auf Micah zu, der rasch zur Seite sprang.
Fionas Blick wanderte von Han zu Crow und wieder zurück. »Wieso tust du das?«, fragte sie.
Han schüttelte den Kopf. »Geh«, sagte er zu Crow. »Verschwinde von hier. Du bist nicht eingeladen.«
»Ich bin dabei, mein Versprechen einzulösen«, erwiderte Crow. »Ich habe versprochen, Aerie House zu zerstören, und ich fange mit diesen beiden an.«
»Alister, wenn das deine Vorstellung von einem Witz ist, sollte ich dir sagen, dass ich not amused bin«, sagte Micah. »Ich hätte wissen müssen, dass es nicht klug war, mich auf diesen Plan einzulassen.«
»Arroganz. Die liegt euch im Blut«, sagte Crow. Er ließ einen weiteren Flammenstoß auf Micah und Fiona los. Sie retteten sich beide mit einem Sprung zur Seite und rollten sich auf dem Boden ab. Fiona reagierte ihrerseits mit einem eigenen Flammenstoß, aber das Feuer ging einfach nur zischend durch Crow hindurch, ohne irgendeine erkennbare Wirkung zu haben.
Micah errichtete eine schimmernde Mauer, die wie gehärtetes Licht wirkte und mit der er sich und Fiona von Han und Crow abtrennte. Crow schickte erst eine und dann noch eine tosende
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