Das Exil Der Königin: Roman
dass er nie dafür hängen würde, sonst hätte er ihr nicht so viel verraten.
Sie warf Amon, der blutverschmiert und mit gefesselten Händen dastand, einen Blick zu. Seine Arme wurden immer noch von zwei abtrünnigen Wachen festgehalten, die zweifellos seinen Ruf als Kämpfer kannten. Raisa konnte an seinem angespannten und konzentrierten Gesichtsausdruck erkennen, dass er versuchte, sich etwas – irgendeine Möglichkeit – einfallen zu lassen, um dieses unmögliche Kräfteverhältnis zu verändern.
Sloat streifte sich seine Handschuhe über. »Gut. Verschwinden wir von hier«, sagte er. »Ihr reitet mit mir, Eure Hoheit.« Er packte Raisa am Arm und zog sie in Richtung seines Pferdes.
»Und was machen wir mit dem hier?«, fragte eine der Wachen, die Amon festhielten.
»Schafft ihn in den Wald und tötet ihn«, erwiderte Sloat. »Wir reiten weiter.«
»Das … wirst du nicht … wagen!«, rief Raisa und versuchte, sich loszureißen.
»Oh doch, das werde ich, Eure Hoheit«, grinste Sloat. Er hielt eines ihrer Handgelenke weiter fest, während er sich in den Sattel schwang. »Seht Ihr, Korporal Byrne ist vor Begierde wahnsinnig geworden und hat die Prinzessin entführt, die zu beschützen er geschworen hatte. Als wir versuchten, Euch zu retten, hat er sich gewehrt und wurde dabei getötet. Und Ihr werdet schön Euren Mund halten, denn Ihr wollt doch sicher nicht, dass die Nachricht die Runde macht, dass Ihr Euch mit einem Soldaten vergnügt habt.« Er wirkte sehr zufrieden mit seiner Geschichte und beugte sich nach unten, um mit der anderen Hand nach ihr zu greifen und sie vor sich in den Sattel zu ziehen.
Als Sloats selbstgefälliges Gesicht auf Augenhöhe mit Raisas war, machte sie die Finger steif und stieß sie ihm in die Augen – eine Technik, die Amon ihr schon vor vielen Jahren gezeigt hatte. Sloat heulte auf und schlug ihr mit dem Handrücken so kräftig ins Gesicht, dass sie rücklings auf dem Boden landete. Raisa verschlug es den Atem.
Sie spuckte Blut, das von einer aufgeplatzten Unterlippe stammte. Der berittene Korporal ragte hoch über ihr auf und rieb sich die tränenden Augen. Sein Gesicht wurde purpurrot vor Wut. Und dann versteifte er sich, die Augen traten ihm aus den Höhlen, und seine Wut verwandelte sich in Überraschung. Er griff sich an den Rücken, zuckte erneut zusammen und stürzte vom Pferd, wobei er Raisa nur knapp verfehlte. Mit dem Kopf und den Schultern voran landete er auf dem Boden; ein Fuß steckte noch in einem Steigbügel. Zwei schwarzgefiederte Pfeile ragten aus seinem Rücken.
Pfeile der Demonai.
Schlagartig brach Chaos aus. Wachen suchten hektisch Deckung – auch diejenigen, die Amon festgehalten hatten und ihn jetzt mitten auf dem Feld stehen ließen. Pferde rissen sich los und rannten in den Wald davon. Sloats Pferd wieherte schrill, vollkommen verängstigt von der Leiche, die an seinem Steigbügel hing, und trat um sich, sodass Raisa sich erst zur einen und dann zur anderen Seite rollen musste, um den wirbelnden Hufen auszuweichen.
Amon kam in einem Zickzack-Kurs zu ihr gerannt und stieß Sloats Pferd mit der Schulter zur Seite, sodass es nicht auf Raisa trampeln konnte. »Lauf!«, rief er und deutete mit einer heftigen Kopfbewegung auf die Bäume. »Such irgendwo Deckung!«
Er selbst bot jedoch eine viel zu gute Zielscheibe, wie er so dastand und das Pferd mit seinem Körper zurückhielt. Raisa kam rollend auf die Beine und lief in geduckter Haltung zu ihm. Dann zog sie ihr Gürtelmesser und durchtrennte ihm die Handfesseln.
»Es sind Demonai«, keuchte sie Amon ins Ohr. »Die Bogenschützen. Sie sind auf unserer Seite.«
Weitere Demonai-Pfeile zischten über die Wiese, noch zwei Wachen fielen, und einem der Männer steckte ein Pfeil in der Kehle. Der Angriff war umso beängstigender, da die Bogenschützen absolut stumm und anscheinend vollkommen unsichtbar waren.
Amon zog Raisa zum Waldrand und schob sie gegen einen Baum.
»Bleib hier«, knurrte er. Er griff nach seinem Stock und rannte wieder zur Wiese zurück, wo er ihn gegen Sloats Männer schwang, die in alle Richtungen flüchteten.
»Amon!«, rief Raisa. »Sei vorsichtig.« Sie war sich nicht sicher, ob die Demonai in der Lage waren, Amon von den übrigen Wachen zu unterscheiden.
Es dauerte nur wenige Minuten, dann war alles vorbei. Amon stand schwer atmend allein auf der Lichtung. Sämtliche Wachen lagen auf dem Boden; vier davon hatte Amon mit seinem Stock niedergestreckt.
Raisa beruhigte
Weitere Kostenlose Bücher