Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Exil Der Königin: Roman

Das Exil Der Königin: Roman

Titel: Das Exil Der Königin: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cinda Williams Chima
Vom Netzwerk:
Zettel an, die vor ihr auf dem Tisch lagen.
    Sie hat das Geld nicht, dachte Han. Sie ist erledigt.
    »Ich hole den Rest«, sagte sie, sprang auf und wandte sich schon zur Tür.
    Da schoss eine Hand vor und packte das Mädchen am Handgelenk. Der Mann riss sie zu sich herum. »Oh, nein, das lässt du schön bleiben«, knurrte er. »Ich lasse dich nicht aus den Augen, so lange du nicht gezahlt hast.«
    Das Mädchen versuchte sich loszureißen. »So viel Geld trage ich nicht mit mir herum. Ich muss es aus meinem Zimmer holen.«
    Boudreaux schob sein Gesicht dicht vor das des Mädchens. »Dann komme ich mit«, sagte er, leckte sich die Lippen und sah sie mit einem schmierigen Lächeln an. »Wenn du das Geld nicht hast, kannst du es dir vielleicht irgendwie verdienen.«
    Das Mädchen spuckte ihm ins Gesicht. »Vielleicht in deinen Träumen, du widerlicher Mistkerl, du …«
    »Willst du ins Kittchen?«, knurrte Boudreaux und wischte sich über sein Gesicht. Er schüttelte sie heftig.
    Das Mädchen versteifte sich. Die Narben an ihren Handgelenken und Knöcheln verrieten Han, dass sie bereits im Kittchen gewesen war. Und er vermutete, dass sie nicht dorthin zurückwollte.
    »Ich rufe die Wache«, drohte Boudreaux. Seine Stimme wurde lauter. »Ich will mein Geld. Das ist mein gutes Recht.«
    Bevor Han auch nur zwei Gedanken zusammenbringen konnte, stand er schon am Tisch der beiden. »He, jetzt aber. Das ist doch nur ein Spiel, in aller Freundschaft, oder? Kein Grund, die Wachen da mit reinzuziehen.« Er tätschelte dem Betrüger den Rücken, stieß ihn an der Schulter an und grinste, als wäre er ein Junge vom Land und ziemlich betrunken.
    Boudreaux starrte Han finster an; er war alles andere als begeistert über diese Einmischung. »Es bleibt auch in aller Freundschaft, wenn das Mädchen bezahlt. Ich bin im Recht.«
    »Euch wird schon eine Lösung einfallen.« Han drehte sich zu dem Mädchen um – und wäre vor Überraschung fast hintenüber gekippt.
    Es war Cat Tyburn, Hans Nachfolgerin als Streetlord der Ragger. Sie blickte erstarrt zurück. Han blinzelte und sah wieder hin, aber es war noch immer Cat. Sie hatte sich verändert, und das nicht gerade zum Guten. Kein Wunder, dass er sie zuerst nicht erkannt hatte.
    Sie war schon immer dünn gewesen, aber jetzt bestand sie nur noch aus Haut und Knochen. Ihre Augen schienen die Hälfte ihres Gesichts einzunehmen, und sie waren verhangen und trüb – wahrscheinlich vom Trinken und vom Scharfkrautkauen. Früher war sie so stolz gewesen, aber jetzt wirkte sie niedergeschlagen. Wo früher Silber geblitzt hatte, waren jetzt Löcher in ihren Ohren und in der Nase, und auch die silbernen Armreifen und -spangen waren weg. All das lag auf einem Haufen vor dem Falschspieler.
    Ihr Gesicht verriet, dass Han Alister so ziemlich die letzte Person auf der ganzen Welt war, mit der sie hier gerechnet hatte.
    Han packte Boudreaux am Arm, um sein Gleichgewicht wiederzufinden und sein Erstaunen zu verbergen. Währenddessen nahm er ein zusätzliches Kartenspiel vom Tisch und ließ es in seiner Tasche verschwinden. Sein Verstand raste.
    Was tat sie hier? Cat war auf den Inseln geboren, aber seit er sie kannte, war sie nie aus Ragmarket hinausgekommen. Wieso war sie weggegangen, wenn sie doch eine gute Gang gehabt hatte, ein gutes Revier und ein gutes Auskommen?
    Aber viel wichtiger war: Wie sollte er ihr nur aus der Klemme helfen, in die sie sich da gebracht hatte? Es würde ihr ganz sicher nicht gut tun, in einem delphianischen Kittchen zu landen.
    Er könnte Boudreaux Falschspielerei vorwerfen, aber er hatte schon vor langer Zeit gelernt, dass es besser war, in einer Schenke den Mund zu halten, sofern er die Gäste nicht kannte.
    Cat starrte Han immer noch an, als wäre er aus dem Grab auferstanden und hätte ihr einen kalten Leichenkuss verpasst.
    »Komm mal her, Mädel«, sagte Han etwas lallend und zog sie am Ellenbogen zu sich. »Wir beide unterhalten uns jetzt mal.« Ihr Körper versteifte sich, aber sie ließ sich von ihm außer Hörweite des pockennarbigen Betrügers führen.
    Als sie in sicherer Entfernung standen, wurde Han plötzlich nüchtern.
    »Was tust du hier?«, zischte er.
    »Das könnte ich dich auch fragen«, versetzte sie.
    »Aber ich habe zuerst gefragt.«
    Cats Gesicht verschloss sich. »Ich musste Ragmarket verlassen.«
    »Und wer ist jetzt Streetlord?«, fragte Han. Er hätte beinahe angefangen zu stottern. »Was ist mit Velvet?«
    »Velvet ist tot«, sagte Cat.

Weitere Kostenlose Bücher