Das Exil Der Königin: Roman
verschwenderischem Guss überzogener Kuchen aus Stein.
Der Verkehr auf der Straße hatte abgenommen. Kluge Studenten hatten dafür gesorgt, dass sie noch vor dem Essen ankamen und jetzt sicher am Abendtisch saßen. Raisas Magen begann laut zu knurren, als wollte er diesen Gedanken bestätigen.
Amon zügelte sein Pferd mit einiger Schwierigkeit. Vagabond sehnte sich danach, weiterzugehen; er ahnte bereits, dass nur ein Stück weit entfernt etwas zu fressen und eine Scheune auf ihn warteten.
Raisa war sich da nicht ganz so sicher, was sie als Neuzugang erwartete. Sie hoffte auf ein langes, heißes Bad. Sie und Switcher rochen ziemlich ähnlich. Wenn sie jemals gehofft hatte, Amon Byrne mit ihrem neu erlangten Glanz und ihrer Schönheit zu beeindrucken, war diese Möglichkeit jetzt für immer verloren. Er hatte sie von ihrer hässlichsten Seite erlebt.
Amon dagegen sah man an, dass er für ein Leben auf Wanderschaft geradezu geschaffen war. Das raue Leben verlieh ihm eine schroffe, stoppelige Patina, die ihn – wenn überhaupt – nur noch attraktiver machte.
»Es wird spät«, sagte Raisa und drängte Switcher neben Vagabond. »Vielleicht sollten wir für heute Nacht eine Schenke finden und erst morgen zum Wien House gehen.«
»Wir werden heute Nacht in den Schlafsälen übernachten müssen«, entgegnete Amon. »Die Schenken werden voll sein, weil schon in ein paar Tagen die Arbeit auf den Feldern beginnt. Aber es war Absicht, dass wir erst nach Einbruch der Dunkelheit ankommen – so ist die Chance geringer, dass wir vor dem Tor oder auf der Seite von Mystwerk auf irgendwelche Leute stoßen, die wir kennen.«
»Du weißt, dass ich früher oder später sowieso erkannt werde«, sagte Raisa. Sie dämpfte ihre Stimme, damit die anderen nicht zufällig etwas mithören konnten. »Wir müssen einfach irgendwie damit klarkommen.«
»Später ist besser«, murmelte er. Er blickte auf die Stadt hinunter und strich seinem Pferd über den Hals. »Das hier läuft wirklich gut, so lange niemand weiß, dass du hier bist. In dem Moment, in dem sie das rauskriegen, wird es für mich unmöglich sein, dich noch zu beschützen.«
»Die meisten meiner Untertanen haben mich noch nie aus der Nähe gesehen.« Sie lächelte reuevoll. »Und jene, die es getan haben, würden mich ohne Tiara auf dem Kopf bestimmt nicht erkennen.«
Er lächelte nicht zurück.
Amon drehte sich im Sattel um und sah die anderen an. »Wartet hier und gönnt den Pferden etwas Erholung. Ich reite nach unten und sehe mir die Lage an.« Er wartete nicht auf eine Antwort, sondern drückte Vagabond die Fersen in die Flanken, und sie klapperten die Straße entlang, die hinunter ins Tal führte.
Amon blieb zwei Stunden lang weg. Als er zurückkehrte, lag auf seinem Gesicht ein ziemlich grimmiger, schicksalsergebener Ausdruck. »Alles in Ordnung«, sagte er, aber seine Worte passten nicht zu seinem Verhalten. »Ich habe mit Master Askell gesprochen und für heute Nacht eine Unterbringung in den Schlafsälen vereinbart. Gehen wir.«
Während sie über den langen Berg zum Fluss hin abstiegen, beugte Raisa sich näher zu Amon hinüber. »Was war los?«, fragte sie. »Was hat Master Askell gesagt?«
»Er will mit dir sprechen«, antwortete Amon und rieb sich den Nacken.
»Das ist gut, oder?«
»Kommt ganz drauf an.«
Sie betraten die Akademie nicht durch den Haupteingang, sondern machten einen Bogen um sie herum, bis sie den Nebeneingang an der Südseite erreichten. Zwei Kadetten winkten sie durch und verschlossen das Tor hinter ihnen.
Switcher folgte Vagabond, ohne dass er von Raisa deutlich geführt werden musste; auf diese Weise hatte sie die Möglichkeit, sich umzusehen, während sie über das Akademie-Gelände ritten.
Die Schule war so groß wie eine kleine Stadt, aber es gab mehr Grünflächen als in jeder Stadt, die Raisa bis jetzt gesehen hatte. Uralte Steingebäude waren auf den Wiesen verteilt und durch überdachte Galerien miteinander verbunden, die mit Ziegeln gepflastert und von nachtblühenden Pflanzen umrankt waren. Ihr berauschender Duft, der mit der warmen, feuchten Luft zu ihnen getragen wurde, hüllte sie ein.
Licht brannte in den Küchen und den Speisesälen. Die meisten Studenten waren noch beim Essen, auch wenn ein paar bereits in ihre Schlafsäle zurückkehrten, dabei untereinander plauderten oder Freunden über den öffentlichen Platz hinweg in allen Sprachen der Sieben Reiche etwas zuriefen. Andere tröpfelten die Hauptstraße
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