Das Experiment
wurde, wenn jemand seine gesellschaftliche Stellung verändert hat; wer es trotzdem tat, dem wurde oft vorgeworfen, den Willen Gottes zu mißachten. Durch ihren plötzlichen Aufstieg von einer armen Farmerstochter zu einer verhältnismäßig wohlhabenden Kaufmannsfrau könnte Elizabeth durchaus Mißgunst und Neid auf sich gezogen haben.«
»Daß sie durch ihre Heirat mit Ronald möglicherweise in Mißkredit geraten ist, heißt aber noch lange nicht, daß sie anschließend auch als Hexe verurteilt wurde«, erwiderte Edward. »Solange ich ihren Namen in keinem der Bücher finde, werde ich meine Zweifel behalten.«
»Meine Mutter glaubt, daß ihr Name nirgends auftaucht, weil die Familie Stewart Mittel und Wege gefunden hat, die Geschichte zu verheimlichen. Unsere Vorfahren sollen Elizabeth sogar für schuldig gehalten haben.«
»Das ist ja ein ganz neuer Aspekt«, sagte Edward. »In gewisser Hinsicht macht es sogar Sinn. Die Menschen im siebzehnten Jahrhundert haben ja wirklich an Hexerei geglaubt. Vielleicht war Elizabeth so eine Art Heilerin, der man übernatürliche Kräfte zugeschrieben hat.«
»Moment mal«, unterbrach ihn Kim. »Du meinst also, Elizabeth könnte tatsächlich eine Hexe gewesen sein? Ich bin immer davon ausgegangen, daß sie vielleicht etwas Unerlaubtes getan haben könnte – zum Beispiel, daß sie aus ihrem gesellschaftlichen Stand ausgebrochen ist. Aber daß sie sich selbst übernatürliche Kräfte zugeschrieben haben könnte – darauf bin ich noch gar nicht gekommen.«
»Es wäre doch denkbar, daß sie sich als magische Heilerin betätigt hat«, fuhr Edward fort. »Damals hat man zwischen weißer und Schwarzer Magie unterschieden. Der Unterschied war der, daß man mit weißer Magie nur Gutes bewirkt hat, zum Beispiel Menschen oder Tiere geheilt hat. Mit Schwarzer Magie hingegen hat man die bösen Geister angerufen und Unheil beschworen. Das war es, was man als Hexerei bezeichnete. Es war bestimmt oft Ansichtssache, ob man einen bestimmten Trunk oder deine Behandlungsmethode für weiße oder für Schwarze Magie gehalten hat.«
»Vielleicht hast du recht«, sagte Kim. Doch nachdem sie kurz nachgedacht hatte, schüttelte sie den Kopf. »Nein, ich glaube nicht, daß es so war. Meine Intuition sagt mir, daß Elizabeth unschuldig war und das Opfer eines furchtbaren Schicksalsschlages geworden ist. Was auch immer ihr widerfahren ist – es muß schrecklich gewesen sein. Und daß man ihren Namen bis heute aus der Geschichte zu tilgen versucht, verschlimmert nur die Ungerechtigkeit, die ihr widerfahren sein muß.« Kim betrachtete die vielen Aktenschränke, Regale und Kisten. »Die Frage ist nur: Findet sich die Erklärung für das, was damals passiert ist, in diesen Papieren?«
»Immerhin hast du diesen Brief aufgestöbert«, stellte Edward fest. »Das ist doch vielversprechend. Denn wenn es einen Brief gibt, finden sich vielleicht auch noch andere. Des Rätsels Lösungwird sich wohl am ehesten in der persönlichen Korrespondenz finden lassen.«
»Ich wünschte nur, daß es in all diesen Papieren irgendeine chronologische Ordnung gäbe!« stöhnte Kim.
»Wie sieht es eigentlich mit dem alten Haus aus?« fragte Edward. »Weißt du schon, ob du es renovieren lassen willst?«
»Ja«, erwiderte Kim. »Ich habe gerade einen Architekten beauftragt. Komm, wir fahren mal rüber, dann erkläre ich dir alles.«
Sie ließen Edwards Auto an der Burg stehen und fuhren mit Kims Wagen zu dem alten Haus hinüber. Kim führte Edward noch einmal durch das Haus und erklärte ihm, daß sie seinem Vorschlag folgen und sowohl das Bad als auch die Küche in dem Anbau installieren lassen würde. Außerdem würde sie zwischen den Schlafzimmern im ersten Stock ein weiteres kleines Bad einbauen lassen.
»Ich glaube, es wird alles wunderbar werden«, sagte Edward, als sie wieder hinausgingen. »Da kann man ja regelrecht neidisch werden.«
»Ich bin auch ganz aufgeregt«, sagte Kim. »Am meisten freue ich mich darauf, das Haus neu einzurichten. Ich glaube, ich nehme im September Urlaub, damit ich mich voll und ganz meinem neuen Zuhause widmen kann.«
»Willst du alles selbst machen?«
»Auf jeden Fall.«
»Bewundernswert«, staunte Edward. »Ich könnte das nicht.«
Sie stiegen wieder ein, doch Kim ließ den Motor noch nicht an. Durch die Windschutzscheibe betrachtete sie andächtig das Haus.
»Eigentlich wollte ich immer Innenarchitektin werden«, sagte sie wehmütig.
»Tatsächlich?« fragte Edward.
»Ja,
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