Das Experiment
über die Hexenprozesse von Salem gelesen habe, dachte ich, mich trifft der Schlag, als ich das Portrait von Elizabeth entdeckt habe. Die Bücher über die Hexenprozesse haben mich übrigens erst recht darin bestärkt, für Elizabeth Partei zu ergreifen. Wußtest du zum Beispiel, daß die Geschworenen und die Richter ihre Urteile schon kurz nach der Vollstreckung öffentlich widerrufen und um Verzeihung gebeten haben? Schon damals haben die Menschen gewußt, daß sie offensichtlich Unschuldige hingerichtet hatten.«
»Nicht alle waren unschuldig«, warf John ein.
»Mutter hat auch so eine geheimnisvolle Bemerkung gemacht«, stellte Kim fest. »Was hat Elizabeth denn nur getan, daß ihr alle so von ihrer Schuld überzeugt seid?«
»Eine gute Frage«, sagte John. »Die genauen Einzelheiten kenne ich auch nicht. Aber mein Vater hat mir erzählt, daß sie bei irgendwelchen okkulten Dingen die Hände im Spiel gehabt haben soll.«
»Was hat sie denn gemacht?« bohrte Kim weiter.
»Ich habe dir doch gerade gesagt, daß ich es nicht weiß«, fuhr John sie wütend an. »Nun hör endlich auf zu fragen.«
»Und geh auf dein Zimmer!« fügte Kim leise hinzu. Sie fragte sich, ob ihr Vater jemals begreifen würde, daß sie kein Kind mehr war, und ob er sie jemals wie eine Erwachsene behandeln würde.
»Jetzt hör mir mal zu, Kimmy«, begann er von neuem, in einem versöhnlicheren, väterlichen Ton. »Laß die Vergangenheit ruhen – in deinem eigenen Interesse! Wenn du in den alten Geschichten herumrührst, gibt es nichts als Ärger.«
»Bei allem Respekt«, sagte Kim, »aber warum sollte ich mich davon abhalten lassen, die Vergangenheit meiner Familie zu erforschen?«
John suchte verzweifelt nach einer Antwort.
»Ich werde dir mal erzählen, was ich von der Sache halte«, fuhr Kim mit einer Resolutheit fort, die sie selbst überraschte. »Ich glaube, daß die Angehörigen von Elizabeth es damals wirklich als Schande empfunden haben, als sie als Hexe verurteilt und hingerichtet wurde. Ich kann mir auch vorstellen, daß die Verurteilung für das Geschäft ihres Mannes Ronald nicht gerade vorteilhaft gewesen ist; und er war es ja, der unsere Firma, die Maritime Limited, gegründet und damit den Grundstein für den Reichtum vieler Generationen von Stewarts gelegt hat – unsere Familie eingeschlossen. Doch daß man heute immer noch so tut, als sei es ein Verbrechen, überhaupt nur über Elizabeth zu reden, und daß man nun seit dreihundert Jahren versucht, ihren Namen aus der Familiengeschichte zu tilgen – das ist eine Schande! Immerhin ist sie ein Mitglied unserer Familie! Wäre sie nicht gewesen, würden weder du noch ich heute hier sitzen. Ich kann nicht glauben, daß im Laufe all der Jahre noch nie jemandem bewußt geworden ist, wie lächerlich diese ganze Geheimnistuerei um Elizabeth eigentlich ist.«
»Wenn du aufgrund deiner eigenen, egoistischen Sichtweise nicht von dem Thema lassen kannst«, unterbrach John sie gereizt, »dann tu es wenigstens deiner Mutter zuliebe. Joyce betrachtet die Geschichte nun einmal als Schande; warum das so ist, spielt doch keine Rolle. Es ist eben so. Und das sollte Grund genug für dich sein, nicht mehr weiter in Elizabeths Vergangenheit herumzuwühlen. Hör endlich auf, deiner Mutter ständig diese alten Geschichten unter die Nase zu reiben!«
Kim nahm einen Schluck von ihrem inzwischen kalten Cappuccino. Sie gab den Versuch auf, mit ihrem Vater eine vernünftige Unterhaltung zu führen. Im Grunde war ihr das sowieso noch nie gelungen. Ihr Vater war nur zu Monologen fähig: Er befahl ihr, was sie zu tun hatte und wie sie es zu tun hatte, basta.
»Deine Mutter hat mir auch erzählt, daß du das alte Stewartsche Haus renovieren läßt«, fuhr John fort. »Was hast du denn damit vor?«
Kim berichtete ihm von ihrem Entschluß, das alte Haus modernisieren zu lassen und dort einzuziehen. Während sie erzählte, wandte ihr Vater sich wieder seiner Zeitung zu. Die einzige Frage, die ihn wirklich zu interessieren schien, betraf die Burg und die Besitztümer seines Vaters, die sich darin befanden.
»In der Burg werde ich nichts antasten«, versicherte Kim. »Jedenfalls nicht, bevor Brian zurückkommt.«
»In Ordnung«, grummelte John und konzentrierte sich wieder auf das Wall Street Journal.
»Wo ist Mutter eigentlich?« wollte Kim wissen.
»Oben«, erwiderte John. »Es geht ihr nicht gut, und sie will niemanden sehen.«
Wenig später verließ Kim traurig und bekümmert das Haus ihrer
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