Das Experiment
sagte Kevin energisch. »Ich bestehe darauf, daß du noch heute deinen Urin untersuchen und eine Bestimmung deiner Blut-, Harn- und Stickstoffwerte vornehmen läßt.«
»Oho!« rief Edward plötzlich. »Jetzt passiert etwas.«
»Ach, du meine Güte!« stammelte Kevin. »Was denn?«
»Ich sehe Farben, die sich bewegen und Muster bilden; es ist so, als würde ich durch ein Kaleidoskop gucken.«
»Das fängt ja gut an«, bemerkte Kevin. Er starrte Edward an und mußte feststellen, daß dieser in einer Art Trancezustand zu schweben schien.
»Jetzt höre ich so etwas wie einen Synthesizer. Mein Mund ist auf einmal ganz trocken. Und mein Arm kribbelt so komisch. So, als ob mich etwas beißt oder zwickt. Ein ganz seltsames Gefühl.«
»Soll ich einen Arzt holen?« fragte Kevin.
Plötzlich griff Edward nach Kevins Unterarm, um sich mit aller Kraft an ihm festzukrallen.
»Der ganze Raum bewegt sich plötzlich«, sagte Edward. »Außerdem habe ich das Gefühl, daß mir irgend etwas den Hals zudrückt.«
»Ich rufe sofort einen Arzt«, rief Kevin. Sein Puls raste, als er zum Telefon griff. Doch Edward ließ ihn nicht los.
»Es ist schon wieder in Ordnung«, sagte er. »Die Farben verschwinden langsam wieder.« Edward schloß die Augen, wagte aber nicht, sich zu bewegen. Er hielt noch immer Kevins Arm umklammert.
Schließlich öffnete er die Augen und seufzte. Jetzt erst wurde ihm bewußt, daß er sich an Kevin festgekrallt hatte. Er ließ ihn los, holte einmal tief Luft und strich seine Jacke glatt. »Ich glaube, wir wissen jetzt Bescheid«, sagte er.
»Du bist total verrückt!« schimpfte Kevin. »Deine Sperenzchen haben mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt. Ich war kurz davor, einen Notarzt zu rufen.«
»Nur keine Panik«, versuchte Edward ihn zu beruhigen. »So schlimm war es doch gar nicht. Du wirst doch nicht gleich die Fassung verlieren, nur weil ich sechzig Sekunden lang ein bißchen berauscht war.«
Kevin warf einen Blick auf seine Uhr. »Es waren nicht sechzig Sekunden, sondern zwanzig Minuten«, stellte er fest.
Edward warf auch einen Blick auf seine Uhr. »Ist das nicht merkwürdig?« fragte er. »Ich habe jegliches Zeitgefühl verloren.«
»Fühlst du dich wieder normal?« wollte Kevin wissen.
»Aber ja«, beteuerte Edward überschwenglich. »Es geht mir hervorragend. Ich fühle mich…« Er horchte einen Augenblick in sich hinein und suchte nach den passenden Worten für seine Empfindungen. »Ich fühle mich so energiegeladen wie nach einem Urlaub. Außerdem habe ich einen absolut klaren Kopf, ich sehe alles ganz deutlich. Vielleicht bin ich sogar ein bißchen euphorisch, aber das kann natürlich auch an dem positiven Resultat liegen: Immerhin haben wir gerade festgestellt, daß dieser neu entdeckte Pilz eindeutig eine halluzinogene Substanz enthält.«
»Wir wollen doch lieber nicht ›wir‹ sagen«, stellte Kevin klar. »Du hast das festgestellt, nicht ich. Ich übernehme für diesen Wahnsinn keinerlei Verantwortung.«
»Ob wir es mit den gleichen Alkaloiden zu tun haben wie bei Claviceps?« fragte sich Edward. »Ich verspüre allerdings nichtdie geringsten Anzeichen einer Durchblutungsstörung, dabei ist das doch bei Ergotismus eines der häufigsten Symptome.«
»Versprich mir wenigstens, daß du noch heute eine Urinuntersuchung machen und deinen Kreatininwert bestimmen läßt«, insistierte Kevin. »Wenn du dir auch offensichtlich keine Gedanken über die Folgen deines Wahnsinns zu machen scheinst – ich tue es schon.«
»Okay«, willigte Edward ein. »Wenn du damit heute nacht besser schlafen kannst, verspreche ich es dir. Könntest du mir eigentlich noch mehr von diesen Sklerotien verschaffen? Oder geht das nicht?«
»Da ich inzwischen herausgefunden habe, in welchem Medium dieser Pilz gedeiht, kann ich noch ein bißchen mehr davon züchten. Von den Sklerotien kann ich dir aber keine größeren Mengen versprechen. Es ist nicht gerade einfach, den Pilz zur Sklerotienproduktion zu bringen.«
»Okay, versuch dein Bestes«, sagte Edward. »Vielleicht ist es dir ein Ansporn, wenn du daran denkst, daß wir wahrscheinlich einen schönen kleinen Aufsatz über diesen neuen Pilz veröffentlichen können.«
Als Edward über das Campusgelände zur Haltestelle des Shuttle-Busses eilte, hätte er vor Freude jauchzen können. Er konnte es gar nicht abwarten, Kim von seiner Entdeckung zu berichten. Nach dem, was er herausgefunden hatte, war die Vergiftungstheorie, was die Hexenhysterie von
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