Das Experiment
Idee?“
„Weil Sie sich so verhalten. Wenn es nicht daran liegt, was ist es dann? Wir werden das hier zusammen durchmachen müssen, ob es Ihnen gefällt oder nicht. Aber es wäre mir wesentlich lieber, wenn Sie mir sagen würden, wann ich Sie in Ruhe lassen soll, anstatt sich in Ihr Schneckenhaus zurückzuziehen und einfach das Thema zu wechseln.“
Ginny seufzte. Er machte sie nervös, aber warum, das wusste sie nicht. Wie sollte sie es ihm also erklären?
„Es hat nichts mit Ihnen zu tun“, sagte sie. „Das schwöre ich.“ Sie hakte sich bei ihm ein und zog ihn hinter sich her. „Lassen Sie uns weitergehen, dann kann ich besser denken.“
„Geht mir auch so“, meinte er.
„Na bitte, jetzt haben wir schon eine Gemeinsamkeit“, sagte Ginny.
„Die hatten wir schon vorher“, gab er zurück.
Sie blieb stehen. „Was?“
„Georgia. Oder haben Sie das vergessen? Sie ist der Grund, weshalb ich hier bin.“
Tränen schossen ihr in die Augen. „Ich vergesse nie etwas“, sagte sie knapp und ging weiter, ohne sich umzusehen, ob er ihr überhaupt folgte.
Aber er folgte ihr.
„Reden Sie mit mir, Ginny. Erzählen Sie mir, was Ihnen durch den Kopf geht. Warum sind Sie mal nett zu mir, und dann wieder eiskalt? Das bringt nichts, sollten Sie wissen. Ich kann Sie nicht beschützen, wenn Sie mir nicht vertrauen.“
Ginny zögerte, dann wandte sie sich ihm zu, das Kinn entschlossen vorgeschoben.
„Ich vertraue Ihnen.“
„Was ist es dann?“
„Ich bin es nicht gewöhnt, mich auf andere zu verlassen. Seit ich erwachsen bin, hatte ich nur mich. Meine Eltern sind tot, und zu meinen wenigen Verwandten habe ich keinen Kontakt.“
„Gibt es niemanden in Ihrem Leben, der Ihnen besonders viel bedeutet? Einen Mann? Geht es darum?“
Als er die Frage ausgesprochen hatte, merkte er, dass er aus Angst vor der Antwort den Atem anhielt.
Ginny schnaubte auf eine Art, die gar nicht ladylike war. „Der letzte Mann in meinem Leben schlief mit der Frau aus dem Apartment gegenüber. Das war vor vier Jahren, und seitdem habe ich mir nicht mehr die Mühe gemacht, nach einem anderen Ausschau zu halten.“
Sully fühlte sich ein wenig schuldig, dass es ihm gefiel, sie nicht in festen Händen zu wissen.
„Das muss hart gewesen sein.“
Sie zuckte mit den Schultern. „Ich habe an dem Tag eine Lektion gelernt, und ich habe nicht die Absicht, den Fehler jemals zu wiederholen.“
Als sie den Satz beendete, wusste sie, was nicht stimmte. Sie wahrte Distanz zu Sullivan Dean, weil sie sich zu ihm hingezogen fühlte, genau das aber nicht wollte. Sie wollte nicht noch einmal so verletzt werden.
Sully nahm ihre Hand und sie gingen weiter spazieren. Die plötzliche Berührung irritierte sie so sehr, dass sie stolperte. Er fing sie auf, indem er sie am Ellbogen packte. Dann ging er weiter, ohne ein Wort zu sagen.
Minuten später blieb Sully abrupt stehen und drehte sich um. Ginny löste sich aus seinem Griff und erntete dafür einen weiteren scharfen Blick, den sie einfach ignorierte.
„Rein aus Neugier“, sagte er. „Georgia hat mir nie von Ihnen erzählt, doch müssen Sie sich irgendwann einmal sehr nahe gestanden haben.“
„Sie hat Sie mir gegenüber auch nie erwähnt, aber offensichtlich hat sie Ihnen viel bedeutet.“
„Ihr Bruder Tommy war und ist mein bester Freund. Ich lernte sie kennen, als sie nach Connecticut zogen. Da war sie fast sieben, wenn ich mich nicht irre.“
Ginny sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an. „Das war gleich nach dem Brand der Montgomery Academy. Bis dahin hatten wir Tür an Tür gelebt. Nach dem Umzug habe ich sie im Sommer immer besucht, und ein Semester lang teilten wir uns am College ein Zimmer, bis ich mein Hauptfach wechselte.“
„Komisch, dass wir uns nie begegnet sind. Ich habe Georgia oft im College besucht.“
Ginny runzelte die Stirn. „Ich kann mich erinnern, dass sie in einen Typen verknallt war. Er war etwas älter als sie, und sie sagte mal, er würde vor lauter Bäumen den Wald nicht sehen.“
Er sah fort. „Das dürfte wohl ich gewesen sein. Ich habe in ihr nie meine Freundin gesehen. Ich habe miterlebt, wie sie größer wurde, aber für mich war sie immer nur Tommys kleine Schwester.“
„Das ist ironisch“, meinte Ginny. „Ich war mal in Tommy verknallt. Ich glaube, ich war neun oder zehn. Das hielt so lange an, bis er mir eine Heuschrecke in die Bluse steckte. Danach fand ich Jungs einfach nur doof.“ Sie verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln.
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