Das Experiment
zu dem Schluss, dass es sich wohl um ein paar Vögel gehandelt haben musste. Dennoch beobachtete er die Umgebung aufmerksam, um sicher zu sein, dass sich dort nichts Ungewöhnliches abspielte. Er sah, dass einige Hütten vermietet worden waren, da neben einer ein Geländewagen mit einem Bootsanhänger und neben einer anderen ein Jeep abgestellt waren. In beiden Fahrzeugen konnte er umfangreiche Angelausrüstung erkennen. Obwohl der Pegel des Flusses inzwischen ein wenig gesunken war, konnte er sich nicht vorstellen, dass es viel Sinn machte, in einem so schnellen Gewässer zu angeln. Nach einigen Minuten kamen fünf Männer aus den beiden Hütten und packten Taschen und Kleidung in den Geländewagen. Als sie Sully bemerkten, winkten sie freundlich, aber distanziert, dann fuhren sie über einen schmalen Feldweg in Richtung Flussufer.
Sully war beruhigt, dass alles in Ordnung war, und erledigte seine Telefonate. Weder Dan Howard noch Detective Pagillia in St. Louis konnten mit neuen Erkenntnissen aufwarten, allerdings erfuhr er, dass Ginnys Telefonanschlüsse zu Hause und in der Redaktion angezapft worden waren. Frustriert beendete er das Gespräch und kehrte zurück in die Hütte.
Er wollte ihren Namen rufen, als er die Tür zum Schlafzimmer öffnete, unterließ es aber, als er sah, dass sie eingeschlafen war. Das Buch war zu Boden gefallen, sie hatte sich zusammengerollt, die Füße unter ein Kissen gesteckt, und die Hände unter ihrem Kinn gefaltet, als wäre ihr kalt. Leise schloss er die Tür und ging dann zu ihr. Als er sie so friedlich schlafen sah, wurde ihm bewusst, wie einsam er war. Wie würde es wohl sein, die Freiheit zu haben, sich zu ihr ins Bett zu legen und seine Arme wie einen Schutzschild um sie zu legen? Anstatt aber diesem Drang nachzugeben, deckte er sie mit einem Laken zu und verließ die Hütte, solange sein Verstand noch die Oberhand hatte.
Carney war müde und ihm war schlecht, was ihn nur noch wütender machte. Freddie und Dale hatten ihn gut einen halben Kilometer vor den Hütten aus dem Wagen geworfen und ihn seinem Zorn selbst überlassen, da sie nichts damit zu tun haben wollten, was er plante. Hinzu kam, dass sich sein alter Herr auch noch geweigert hatte, ihm eine Hütte zu geben, weil er die für zahlende Kunden freihalten wollte. Carney war wutentbrannt aus der Rezeption gestürmt und hatte sich in die Wälder zurückgezogen, während er alle zur Hölle wünschte. Er würde dem Dreckskerl in der letzten Hütte noch viel Kummer bereiten, und danach konnten sie ihn alle mal. Er würde Mississippi für immer verlassen. Hier gab es nur noch Unerfreuliches für ihn. Wenn sich ein Mann nicht auf seine Familie verlassen konnte, dann konnte er sich auf niemanden mehr verlassen. Und ob er seine Frau jemals wieder sah, war ihm auch egal. Sie hatte ihn ohnehin immer nur genervt, er solle sich einen besseren Job suchen. Verdammt, es war doch nicht seine Schuld, dass Dachdecker nicht so regelmäßig arbeiteten wie andere Leute. Er konnte nur arbeiten, wenn das Wetter gut war, aber nicht, wenn es regnete oder zu kalt war.
Während er so dasaß, seinen Zorn schürte und gleichzeitig versuchte, den Kopfschmerz unter Kontrolle zu bekommen, sah er, wie sein Vater die Rezeption verließ, in den Wagen stieg und wegfuhr.
Carney stand abrupt auf und begann zu grinsen. Nachdem er sicher war, dass niemand ihn beobachtete, ging er um das Haus seines Vaters herum und betrat es durch die Hintertür. Es roch nach angebranntem Speck und nach feuchtem, modrigem Holz, aber Carney war nicht wählerisch. Er wusste, wo sein Vater den Alkohol versteckte, und er brauchte unbedingt einen Drink. Nachdem er sich zwei Gläser Tennessee Red eingeschenkt und runtergeschüttet hatte, durchsuchte er den Kühlschrank nach etwas Essbarem. Schließlich ließ er sich in Daddys Sessel nieder, nahm die Fernbedienung und schaltete den Fernseher ein. Bis es dunkel wurde, konnte er sich ruhig noch ein wenig die Zeit vertreiben. Er kannte seinen alten Herrn so gut, dass mit dessen Rückkehr frühestens in zwei bis drei Stunden zu rechnen war.
Carney lehnte sich zurück, genoss die kühle Luft im Zimmer und die Tatsache, dass sein Magen mit Alkohol und Essen gut gefüllt war, und schloss die Augen.
Einige Zeit später wachte er auf, als er das Schlagen einer Wagentür hörte. Daddy ist zurück! schoss es ihm durch den Kopf. Er griff nach der Fernbedienung, die ihm auf den Schoß gerutscht war, schaltete den Fernseher aus und
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