Das Experiment
du sicher?“
„Absolut. Allerdings traue ich den örtlichen Behörden nicht über den Weg. Es gibt zu viele Variablen, die ihren Tod bedeuten könnten.“
„Wo bist du?“
„Hattiesburg, Mississippi, aber ich weiß nicht genau, in welchem Krankenhaus.“
„Mach dir darüber keine Sorgen“, meinte Dan. „Ich lasse deinen Anruf zurückverfolgen. Du setzt dich jetzt ganz ruhig hin. In spätestens einer Stunde ist jemand bei dir.“
„Danke“, sagte Sully. „Du hast was bei mir gut.“
„Ach … Sully …“
„Ja?“
„Die Frau … kriegen die Ärzte das hin?“
Sully seufzte. „Körperlich ja.“
Dan Howard ächzte. Was Sully nicht gesagt hatte, machte ihm Sorgen.
„Was ist mit ihr geschehen?“
„Sie wäre bei einer versuchten Vergewaltigung beinahe ums Leben gekommen.“
„Oh nein!“
„Schick mir jemanden her“, sagte Sully. „Ich kann nicht länger reden.“
Howard sprach immer noch, während Sully langsam zu Boden sank.
Emile Karnoff legte die Stirn in Falten, als er den Hörer auflegte. Diese verdammten Anrufbeantworter. Solange er diesen Anruf nicht erledigen konnte, würde er keine Ruhe finden. In knapp einer Viertelstunde würde ihn sein Fahrer abholen und zum Krankenhaus fahren. Diese eine Sitzung noch, dann wäre er hier in Dublin fertig, auch wenn zu Hause noch viel Arbeit auf ihn wartete. Die junge Krebspatientin machte bereits Fortschritte, die Zahl der weißen Blutkörperchen war angestiegen, das Fieber hatte sich gelegt. Einige Ärzte am Dublin Hospital behaupteten zwar, dass die Chemotherapie endlich erste Resultate brachte, aber die meisten anderen waren sprachlos, was die Ergebnisse seiner Behandlung anging. Zwar hatte Emile keinen Dritten zu den Sitzungen zugelassen, dafür hatte er sich bei der Arbeit filmen lassen.
Auf den ersten Blick wirkte es alles so einfach. Er versetzte den Patienten in Trance und erzählte ihm im Grunde nur, er solle gesund werden. So einfach war es natürlich nicht. Tatsächlich war es eine Behandlung, die so komplex war wie der menschliche Verstand an sich.
Während der experimentellen Phase hatte er herausgefunden, dass verschiedene Klänge unterschiedliche Teile des Gehirns direkt ansprachen. Danach begann er, den Verstand mit Hilfe von Klängen zu manipulieren, indem er eine Reihe von Glocken einsetzte. Er brachte den Patienten dazu, auf diese Töne zu hören, und es gelang ihm der Zugriff auf das Unterbewusstsein und noch tiefer liegende Ebenen. Vorbei an verschütteten Erinnerungen in den Teil des Gehirns, der das Nervensystem kontrollierte, und weiter bis zu den Tiefen, die Warnsignale aussandten, wenn der Körper in Lebensgefahr war. Mit jedem höheren Ton erhielt er Zugriff auf die Regionen, in denen Schmerz registriert und aufgezeichnet wurde, bis hin zu den verworrenen Windungen im Inneren des menschlichen Geistes, die den Körper mit Stress und Anspannung vergifteten.
Vertrauen war das Wichtigste. Er lehrte den Patienten, ihm zu vertrauen. Wenn das geschafft war, ließen sie ihn in ihren Verstand vordringen. Sobald er sich dort befand, initiierte er eine Reihe von Befehlen, durch die dem Körper gesagt wurde, wie und wo er etwas heilen sollte.
Es hörte sich lachhaft an – so wie in einem alten Science-Fiction-Film. Aber es hatte auch einmal eine Zeit gegeben, da hielt man es für absurd, dass es winzige Erreger wie Viren und Bakterien geben sollte, die krank machen oder sogar tödlich sein konnten. Wie sollte etwas Unsichtbares so gefährlich sein? Aber die Zeit hatte den vorausschauenden Menschen Recht gegeben, die die Bakterientheorie für zutreffend gehalten hatten. Und immerhin war es nicht so, dass er auf völlig einsamem Posten stand. Seit Jahren wurde Hypnose eingesetzt, um Süchte, sexuelle Traumata und Ähnliches zu behandeln. Viele Studien waren in Auftrag gegeben worden über religiöse Orden in Asien und deren Mönche, die Schmerz und Blutverlust allein durch Willenskraft kontrollieren konnten.
Er hatte diese Theorie nur auf die nächste Ebene geführt. Den menschlichen Verstand einzusetzen, um den Körper zu heilen, erschien ihm so einfach – so logisch. Es mussten keine Transplantationen vorgenommen werden. Es wurden keine Medikamente verabreicht, um ein Abstoßen des fremden Organs zu verhindern. Männer wie Emile schnitten sich nicht durch Gewebe, sondern benutzten sanfte Worte und behutsam gesprochene Befehle, um sich durch den Unrat zu kämpfen, der den menschlichen Geist verstopfte. Es war ein
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