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Das fahle Pferd

Das fahle Pferd

Titel: Das fahle Pferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Versicherungen, dass gar keine Gefahr bestünde. Bei einer Frau wie Mrs Tuckerton musste er darauf wohl besonderes Gewicht legen. Ich stellte mir vor, wie sie unschlüssig wieder fortging, wie der verführerische Gedanke sich in ihrem Kopf festsetzte. Vielleicht führte sie bald darauf ein Gespräch mit ihrer Stieftochter, hörte von Heiratsabsichten – und die ganze Zeit sah sie nur das Geld vor sich, das viele, viele Geld, das jetzt diesem ungezogenen Mädchen zufallen würde – einem Mädchen, das sich in billigen Lokalen herumtrieb und Freundschaften mit minderwertigen Burschen pflegte. Weshalb sollte ein solches Geschöpf all das Geld bekommen?
    Und so kam es zu dem zweiten Besuch in Birmingham. Noch mehr ängstliche Vorsicht, noch mehr Versicherungen der absoluten Gefahrlosigkeit und schließlich… der Vertrag. Und was geschah dann…?
    An diesem Punkt versiegte meine Vorstellungskraft. Der nächste Schritt war der unbekannte Faktor.
    Wir blickten einander an.
    »Es hilft nichts – wir müssen herausfinden, was im ›Fahlen Pferd‹ vorgeht.«
    »Können Sie mir sagen, wie?«, rief ich ärgerlich.
    »Ich weiß, es wird schwierig. Wer wirklich zu diesem düsteren Zweck dort war, wird natürlich kein Wort darüber verlauten lassen.«
    Ginger richtete sich auf und warf den Kopf nach hinten wie ein energischer kleiner Terrier.
    »Es gibt nur einen Weg, uns Klarheit zu verschaffen«, erklärte sie. »Sie müssen wirklich Kunde werden.«
    Ich starrte sie ungläubig an. »Kunde?«
    »Ja. Sie – oder ich, ganz egal – wollen jemanden aus dem Weg räumen. Einer von uns beiden muss zu diesem Bradley gehen und alles aushandeln.«
    »Unmöglich!«, entgegnete ich scharf.
    »Weshalb?«
    »Es ist viel zu gefährlich!«
    »Für uns?«
    »Vielleicht auch für uns. In erster Linie aber dachte ich an das betreffende Opfer. Wir müssen doch ein Opferlamm haben, wir müssen ihm einen Namen geben – das alles lässt sich nicht einfach erfinden. Die Leute werden bestimmt Nachforschungen anstellen.«
    Ginger überlegte sich das einen Augenblick und nickte dann.
    »Sie haben Recht. Das Opfer muss eine wirklich existierende Person sein, mit einer Adresse und allem Drum und Dran.«
    »Darin eben liegt die Schwierigkeit.«
    »Ferner müssen wir einen stichhaltigen Grund haben, um diese Person loswerden zu wollen.«
    Wir schwiegen wieder und dachten über diesen Gesichtspunkt nach.
    »Auf alle Fälle müsste die betreffende Person einverstanden sein«, meinte ich langsam. »Und das ist zu viel verlangt.«
    »Das Ganze muss Hand und Fuß haben«, überlegte Ginger. »Besitzen Sie Verwandte, die Ihnen Geld vermachen könnten?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Keine Menschenseele.«
    »Zu dumm! Wie steht’s mit Erpressung? – Nein, auch das ist schwierig. Sie nehmen keine hohe öffentliche Stellung ein, die gefährdet wäre. Ein Schriftsteller und Historiker kann leben, wie er will. Was bleibt uns dann noch? Bigamie?« Vorwurfsvoll sah sie mich an. »Weshalb können Sie denn nicht verheiratet sein? Darauf hätte sich etwas aufbauen lassen.«
    Mein Gesichtsausdruck verriet mich; Ginger bemerkte es augenblicklich.
    »Tut mir leid. Habe ich etwas berührt, das Ihnen wehtut?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein, von Wehmut kann gar keine Rede sein. Die ganze dumme Angelegenheit geschah vor vielen Jahren, als ich noch Student war. Ich glaube, kein Mensch weiß davon.«
    »Sie haben geheiratet?«
    »Ja, aber wir hielten es geheim. Sie war nicht gerade… Nun, meine Eltern wären jedenfalls nicht einverstanden gewesen. Und ich war nicht einmal volljährig. Wir haben vor dem Standesamt falsche Angaben über unser Alter gemacht.«
    Einen Moment verfiel ich ins Grübeln.
    »Es wäre niemals gut gegangen«, bemerkte ich dann. »Sie war sehr hübsch und konnte reizend sein, wenn sie wollte, aber…«
    »Wie ging es weiter?«
    »Wir fuhren in den Sommerferien nach Italien. Und dort kam es zu einem Autounfall. Sie war sofort tot.«
    »Und Sie?«
    »Ich befand mich nicht im Wagen. Sie fuhr mit einem… Freund.«
    Ginger warf mir einen kurzen Blick zu. Ich glaube, sie verstand sofort. Das Mädchen, das ich geheiratet hatte, wäre mir keine treue Frau geworden. Rasch ging Ginger darüber hinweg.
    »Hatten Sie in England geheiratet?«
    »Ja, vor dem Standesamt in Peterborough.«
    »Aber Ihre – Frau starb in Italien?«
    »Richtig.«
    »Demnach ist ihr Tod in England nicht registriert?«
    »Nein.«
    »Was könnten wir uns denn Besseres wünschen? Das ist

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