Das fahle Pferd
Kulissen.
Gewisse harmlose Frauen, Angestellte eines kleinen Marktforschungsinstituts, haben mit einem Fragebogen die Haushaltungen einer bestimmten Straße aufzusuchen und dort die üblichen Erkundigungen einzuziehen: ›Welche Waschmittel benutzen Sie? Welche Toilettenartikel, welche Pillen und so weiter.‹ Heutzutage sind die Menschen an derartige Fragen gewöhnt.
Nun folgt der letzte Schritt. Er ist einfach, verwegen… und erfolgreich. Aber er muss vom Erfinder des Schemas selbst ausgeführt werden. Einmal spielt er vielleicht den Gasmann, ein andermal einen Elektriker, einen Klempner oder irgendeinen Arbeiter, der etwas im Haus zu reparieren hat. Wen er aber auch verkörpern mag – sein Ziel ist immer das Gleiche: Er tauscht einen der täglichen Gebrauchsgegenstände gegen einen genau gleichen aus. Die Angaben hierfür haben ihm die ausgefüllten Fragebogen ja geliefert. Danach verschwindet er und wird in der Gegend nie mehr gesehen.
Einige Tage mögen vergehen, ehe etwas geschieht. Doch früher oder später zeigen sich bei dem Opfer Krankheitssymptome. Ein Arzt wird gerufen, aber es gibt keinen Grund, unsaubere Machenschaften zu vermuten. Er mag sich sogar nach dem Essen und Trinken des Patienten erkundigen – wie aber sollte er auf den Gedanken kommen, die Seife oder Zahnpasta zu untersuchen, die der Kranke schon seit Jahren benutzt?
Sie erkennen die Vorteile dieses Plans, Mr Venables? Der einzige Mensch, der über die Tätigkeit des Kopfs der Organisation Bescheid weiß – ist dieser Kopf selbst. Niemand kann ihn verraten.«
»Wenn dem so ist – wieso sind Ihnen dann alle diese Tatsachen bekannt, Inspektor?«, erkundigte sich Venables freundlich.
»Oh, wenn wir einmal einen Menschen in Verdacht haben, finden wir auch Mittel und Wege, um Gewissheit zu erlangen.«
»Was Sie nicht sagen! Zum Beispiel?«
»Wir brauchen sie nicht alle aufzuzählen. Aber da gibt es einmal die Kamera. Man kann einen Mann knipsen, ohne dass er eine Ahnung davon hat. Wir besitzen unter anderem ganz ausgezeichnete Bilder eines uniformierten Boten, eines Gasmannes, eines Klempners und anderer Arbeiter dieser Art. Natürlich gibt es falsche Schnurrbarte, Ersatzzähne und so fort, aber unser Mann ist von verschiedenen Personen identifiziert worden – so einmal von Miss Katherine Corrigan, dann auch von einer gewissen Edith Binns. Das Wiedererkennen eines Menschen ist ein recht aufschlussreiches Gebiet, Mr Venables. Zum Beispiel ist dieser Herr hier, Mr Osborne, bereit zu beschwören, dass er Sie am 7. Oktober um 8 Uhr an der Barton Street in London gesehen hat.«
»Ja, ich habe Sie gesehen!« Mr Osborne lehnte sich vor; er bebte vor Erregung. »Und ich habe Sie beschreiben können – ganz genau!«
»Etwas zu genau vielleicht«, meinte Lejeune gelassen. »Denn eigentlich konnten Sie Mr Venables gar nicht sehen… Sie standen nämlich nicht vor Ihrem Geschäft, sondern gingen auf der anderen Straßenseite hinter Pater Gorman her bis zur West Street, und dort überfielen Sie ihn von hinten und schlugen ihn nieder.«
»Was?«, schrie Mr Zacharias Osborne.
Es hätte lächerlich aussehen können… nein, es war lächerlich! Sein Kinn fiel haltlos schlaff herunter, die Augen starrten…
»Mr Venables, gestatten Sie, dass ich Ihnen Mr Osborne vorstelle. Der Herr war Apotheker – in der Barton Street, Paddington. Sie werden ein persönliches Interesse an ihm nehmen, wenn Sie erfahren, dass er es war, der ein Päckchen Thallium in Ihre Vorratskammer praktizierte. Da er von Ihrer Lähmung anfänglich nichts wusste, hatte er sich das Vergnügen gemacht, Sie bei der Polizei als den Schurken des Dramas zu denunzieren. Und da sein Eigensinn noch größer ist als seine Dummheit, wollte er nicht zugeben, dass er einen bösen Schnitzer begangen hatte.«
»Dummheit? Sie wagen es, mich dumm zu nennen? Wenn Sie wüssten… wenn Sie auch nur ahnten, was ich alles getan habe… was ich tun kann, dann…«
Der kleine Osborne platzte fast vor Wut.
Lejeune hob die Hand. »Sie hätten nicht versuchen sollen, gar zu schlau zu sein«, bemerkte er vorwurfsvoll. »Wenn Sie ruhig in Ihrem Laden geblieben wären und nicht versucht hätten, sich in den Vordergrund zu drängen, dann stünde ich jetzt nicht hier und müsste Sie nicht warnen, dass jedes Wort…«
In diesem Moment begann Mr Osborne haltlos zu kreischen.
39
» E s gibt allerlei, was Sie mir noch erklären müssen, Lejeune.«
Nachdem die Formalitäten erfüllt waren, saßen der
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