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Das Falsche in mir

Das Falsche in mir

Titel: Das Falsche in mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Bernuth
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wissen die Medien zum Beispiel, dass Gronberg erst auf Salfeld aufmerksam gemacht hat? Wer hat ihnen das gesteckt? Gronberg selbst?
    Zwei Stunden später ruft Meret Giordano an.
    Mittlerweile ist klar, dass sie Sina als ihre Privatinformantin betrachtet. Sina ist ein bisschen enttäuscht, weil sie eigentlich gehofft hatte, dass hinter ihrer Freundschaft mehr steckt. Andererseits, was bildet sie sich denn ein. Meret hat Kontakte zu den besten Kreisen, ist unwahrscheinlich attraktiv, intelligentund erfolgreich. Sina hat sich schon immer etwas gewundert, dass sie sich überhaupt mit ihr sehen lässt.
    »Hallo, Meret«, sagt sie, »es gibt nichts Neues. Wenn es was gibt, bist du die Erste …«
    »Hör doch auf«, sagt Meret durchs Telefon, ihre Stimme klingt wieder wie Vanille, und man kann unmöglich böse auf sie sein. »Ich wollte nur wissen, wie es dir geht.«
    »Gut.«
    »Sei nicht so.«
    Auch der Student hat das gesagt. Wie ist sie denn eigentlich?
    »Ich …«
    »Ich weiß doch, dass etwas nicht stimmt.«
    Es ist nicht so, dass Sina nicht gern darüber reden würde, aber kann man sich auf Meret verlassen? Dann denkt sie plötzlich, was soll’s.
    Die Medien wissen so viele Dinge, die normalerweise top secret wären, dass sie hier nicht päpstlicher als der Papst sein muss.
    »Zwei Polizisten waren ganz nah an Salfeld dran. Sie haben’s vermasselt.«
    »Das weiß ich schon, Sina. Deswegen ruf ich nicht an.«
    Woher weiß sie das denn jetzt schon? Sina weiß es doch selbst erst seit anderthalb Stunden!
    »Das gibt’s doch nicht«, sagt sie.
    »Wollen wir uns heute Abend treffen?«, fragt Meret.
    Sina zögert. Heute Abend hat sie Bereitschaft.
    »Es ist wichtig«, sagt Meret.
    Am Anfang war die Hoffnung, nein, die absolut sichere Erwartung, dass sie bald gefunden würde. Sie hatte Filme gesehen mit entführten Mädchen, die wiedergefunden wurden und dann fotogen weinend ihren Eltern in die Arme fielen, während Polizeiautos stumm blinkten und der Detective, derden Fall mit akribischer Intelligenz gelöst hatte, melancholisch lächelnd von der Dunkelheit verschluckt wurde.
    Sie hat sich solche Szenen vorgestellt, so lange, bis sie ganz fest daran glaubte, bis sie die beruhigenden, sonoren Männerstimmen beinahe hören konnte, die ihr sagten, dass jetzt alles vorbei sei und sie keine Angst mehr haben müsse.
    Aber das stellt sie sich schon lange nicht mehr vor. Das ist vergangen. Sie ist schon zu lange hier und sie weiß, dass sie nie wieder herauskommen wird. Sie lebt noch, aber sie ist nicht mehr die, die sie mal war.
    Es gibt keinen Weg zurück in ihre alte Existenz. Sie wird nie wieder mit ihren Freundinnen zusammen sein und über Dinge weinen und lachen, an die sie sich kaum noch erinnern kann.
    Sie wird sich nie mehr darüber aufregen, dass ihre kleine Schwester heimlich ihre Süßigkeiten geklaut hat oder dass ein Lehrer sie ungerecht behandelt hat oder dass ihre Eltern so peinlich sind.
    Sie wird überhaupt nie mehr mit einem Menschen richtig reden.
    Sie wird nie mehr jemanden lieben oder von jemandem geliebt werden.
    Sie ist vergiftet, von außen und von innen.
    Sie ist schmutzig.
    Sie hat schmutzige Gedanken und Gefühle, die sie nie jemandem erzählen kann. Sie denkt an all diese Dinge mit ausdruckslosem Gesicht hinter der Augenbinde. Sie hört nur das Geräusch des fahrenden Autos, keinen anderen Verkehrslärm, kein Hupen, keine quietschenden Bremsen.
    Im Auto spricht niemand. Es ist, als wäre sie ganz allein hier. Ein leeres Auto, das ferngesteuert wird. Neben ihrem rechten Arm spürt sie den Türgriff. Sie könnte versuchen, die Tür zu öffnen und sich einfach auf die Straße fallen lassen. Aber wahrscheinlich haben sie so etwas wie eine Kindersicherungdrin, und die Strafe, die auf einen derartigen Versuch folgen würde, will sie sich lieber nicht ausmalen.
    Sie fahren stetig, in immer derselben Geschwindigkeit, nicht schnell, nicht langsam, vermutlich befinden sie sich auf einer Landstraße, wie die letzten Male auch. Es riecht süßlichscharf nach ihrem eigenen Erbrochenen, das sie in der Tüte auf ihrem Schoß hält. Sie spürt die Wärme ihres Mageninhalts durch die Tüte hindurch auf ihren Schenkeln und es tröstet sie fast ein bisschen. Trotzdem würde sie gerne das Fenster öffnen, aber das machen sie natürlich nicht.
    Sie weiß: Irgendwann wird der Fahrer scharf bremsen, nach rechts abbiegen und dann auf einer Schotterpiste weiterfahren. Dann wird ihr ein zweites Mal schlecht werden, weil

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