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Das Falsche in mir

Das Falsche in mir

Titel: Das Falsche in mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Bernuth
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alles erklären, und stellt das Foto wieder an seinen Platz, einem Schränkchen neben der Spüle, das mir zum ersten Mal auffällt, nein: geradezu ins Auge sticht, denn es sieht aus wie ein kleiner Altar.
    Vor dem Foto stehen mehrere in unterschiedlicher Länge abgebrannte Kerzen, dahinter eine ebenfalls silbern gerahmte Kinderzeichnung, daneben altes Blechspielzeug, ein Fahrrad und ein Auto, soweit ich das erkennen kann. Dann liegt da noch etwas aus rotem Stoff, vielleicht ein Tuch oder ein Strumpf.
    Es ist tatsächlich ein Altar.
    In mir wird alles dunkel. »Was ist mit ihr passiert?«
    Vassilis legt den Zeigefinger auf meine Brust, so fest, dass es beinahe wehtut. Dann nimmt er ihn weg, und es ist, als bliebe ein Abdruck zurück. »Es war ihr Onkel. Mein Cousin. Weißt du, wo er jetzt ist?«
    Ich schüttle den Kopf, höre gar nicht mehr richtig zu. Vielleicht hat er bereits Verwandte alarmiert, und sie sind auf dem Weg hierher. In meinen Ohren beginnt es leise zu rauschen.
    »Da oben.« Vassilis tippt wieder mit seinem Finger auf mein Brustbein, dann deutet er Richtung Himmel, lässt mich aber nicht aus den Augen. »Und ich sage dir, es war ein langer, harter Weg dahin.«
    »Und das Mädchen?«
    »Du hast mich angelogen.«
    »Vassilis …«
    »Ich habe heute dein Foto in der Zeitung gesehen. Sie suchen dich überall.« Er beugt sich vor, greift mir ziemlich grob in die Haare.
    »Grau«, sagt er triumphierend, lehnt sich wieder zurück und verschränkt die Arme. Der Ansatz ist herausgewachsen, ich habe nicht rechtzeitig nachgefärbt. Aber Vassilis hätte mich wohl auch so erkannt.
    Er fragt: »Warum hast du mich angelogen?«
    Ich beuge mich leicht vor und sage so eindringlich, so ehrlich und in so verletztem Tonfall wie nur irgend möglich: »Ich habe dich nicht angelogen. Warum denkst du so was von mir?«
    Ich bin ein guter Schauspieler. Ich sehe, wie er zögert, abwägt, mir einerseits glauben will und es andererseits nicht kann, weil zu viele Indizien gegen mich sprechen. Ich habe das Überraschungsmoment auf meiner Seite und springe ihn an wie ein Raubtier sein Opfer. Der Stuhl fällt nach hinten um und Vassilis’ Kopf kracht auf den Boden.
    Er bleibt benommen liegen, seine Beine haben sich geöffnet wie bei einem Käfer. Ich ziehe den Stuhl rasch unter ihm weg und stelle ihn wieder auf. Dann setzte ich mich auf Vassilis’ Brustkorb, halte mit meinen Knien seine Oberarme fest, wie ich es im Knast gelernt habe. Das tut mit Sicherheit weh. Er stöhnt, bewegt sich, öffnet die Augen. Dann schließt er sie wieder.
    Ich stehe auf, stelle mich hinter seinen Kopf, packe ihn an den Schultern, wuchte ihn auf seinen Stuhl, ziehe mein Hemd aus und fessle seine Handgelenke mit den Ärmeln an die Querverstrebung der Lehne.
    Ein Notbehelf, aber es funktioniert.
    »Lukas«, sagt Vassilis, meinen richtigen Namen. Er klingt immer noch so, als würde er das alles nicht richtig mitbekommen. Möglicherweise hat er eine Gehirnerschütterung, aber darauf kann ich jetzt keine Rücksicht nehmen.
    Bevor er sich wieder erholt, müssen auch seine Beine fixiert sein. Ich huste und sehe mich in der Küche um. Mein linker Ellbogen schmerzt höllisch, schließlich bin ich ebenfalls gestürzt.
    Ich greife in eine Schublade, suche nach einem scharfen Messer, finde aber nur eins, das ziemlich stumpf ist, und laufe ins Bad, weil ich mich an eine Wäscheleine erinnere. Die mit Plastik überzogene Leine ist über die Badewanne gespannt. Es dauert eine Ewigkeit, sie loszuschneiden, das Messer erweist sich als völlig unbrauchbar. Es klappt dann auch nur, weil ich eine Nagelschere entdecke, mit der ich sie einfach abschneide. Ich lausche immer wieder in die Küche, höre aber nur ein Stöhnen. Ich sollte ein schlechtes Gewissen haben, aber ich bin ein gejagtes Tier und muss mich retten.
    Als ich in die Küche zurückkomme, sehe ich, wie Vassilis versucht, sich zu befreien. Ich halte ihm von hinten das Messer an die Kehle und flüstere ihm ins Ohr, dass er besser stillhält. Er tut es.
    Ich muss wieder husten, aber das Messer bleibt, wo es ist. Keuchend ringe ich nach Luft, bis mich der nächste Hustenanfall durchschüttelt. Einen Moment lang überlege ich, wie es wäre, wenn ich jetzt sterben würde, hier in dieser schäbigen Küche mit ihren rot-weiß beschichteten Arbeitsplatten und der schmuddeligen Spüle, neben dem Mann, der mir das Leben gerettet hat und jetzt mein gefährlichster Feind ist.
    Ich erhole mich und fessle jetzt auch seine

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