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Das Falsche in mir

Das Falsche in mir

Titel: Das Falsche in mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Bernuth
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schlanke Frau, die auf den ersten Blick fragil wirkt, Marions Vater ist ein ebenfalls sehr großer, aber ziemlich korpulenter Mann, dem man ansieht, dass er gerne Anweisungen erteilt. Sie schütteln mir nacheinander die Hand und mustern mich von oben bis unten, bevor sie mir einen Platz anbieten, weit weg von Marion am Ende des Tisches. Ich akzeptiere das, gebe mich höflich, beantworte alle Fragen ausführlich, schmeichle mich aber nicht ein. Ein paar Mal bringe ich sie sogar zum Lachen. Gegen halb elf stößt Marions Schwester dazu, die mit einer Freundin im Kino war.
    Wir sehen uns an, sie setzt ein reserviertes Lächeln auf, und ich weiß sofort, dass es bei ihr weniger einfach werden wird.
    »Sophie«, sagt sie statt einer Begrüßung. Sie ist ein ganz anderer Typ als Marion, weniger hübsch, dafür kraftvoller und selbstbewusster, mit dichten, lockigen Haaren und großem Mund.
    »Lukas«, sage ich trocken.
    Wir setzen uns, und sie mustert mich wie einen Sparringpartner. Ich wappne mich für den Schlagabtausch. Und es geht auch sofort los.
    »Also deswegen bekommen wir Marion nicht mehr zu Gesicht.« Sie lächelt wieder, meint es aber nicht freundlich.
    »Was willst du damit sagen?« Ich lächle ebenfalls. Es wäre besser, sie nicht als Feindin zu haben, sie hat bald drei volle Wochen Zeit, Marion in ihrem Sinne zu bearbeiten.
    »Nichts Besonderes«, sagt sie, ohne mich anzusehen. »Ich glaube nur, dass du sie ziemlich mit Beschlag belegst. Kennt sie überhaupt irgendjemand anderen außer dir?«
    »Was meinst du damit? Jede Menge Leute natürlich.«
    Marion sitzt mir gegenüber, sagt nichts zu dieser Lüge, schweigt überhaupt ausdauernd, als fände sie es in Ordnung, dass man über sie spricht, ohne sie wenigstens nach ihrer Meinung zu fragen.
    »So. Wen denn?« Sophie nimmt sich eine Scheibe Wurst, rollt sie zusammen und steckt sie im Ganzen in den Mund. Dabei lässt sie mich nicht aus den Augen.
    »Hol dir einen Teller, Sophie«, sagt ihre Mutter, kühl und streng, aber mit einem Unterton der Vergeblichkeit, als hätte sie schon tausend Mal erfolglos versucht, ihrer Tochter Manieren beizubringen.
    »Was?«, fragt Sophie und schneidet sich ein Stück Käse ab.
    »Hol dir einen Teller und Besteck, wenn du noch was essen willst.«
    »Ich will nichts essen.«
    »Und was war das dann gerade eben?«
    »Ja, aber mehr will ich ja nicht.«
    »Darum geht es nicht.«
    »Worum denn dann?«
    Sophie zündet sich eine Zigarette an, woraufhin ihre Mutter sie bittet, einen Aschenbecher zu holen, was Sophie nicht tut, sondern stattdessen auf den Teller ihrer Schwester ascht.
    Es gibt eine Auseinandersetzung, die wahrscheinlich nur deshalb nicht ausartet, weil ich hier bin. Schließlich steht Marion auf und knallt ihrer Schwester den Aschenbecher vor dieNase, den sie sich leicht hätte selber holen können. Sophie lacht völlig unbeeindruckt, ihre Mutter macht eine komische Geste der Verzweiflung, ihr Vater lächelt mich zum ersten Mal beinahe komplizenhaft an, als wollte er sagen: »Was kann man da machen, Frauen sind eben hysterisch!«
    Ich lächle zurück.
    Das Ganze erinnert mich ein wohleinstudiertes Ritual ohne tiefere Bedeutung, vielleicht auch an eine kleine Familienkomödie mir zu Ehren, denn nur zwei Minuten später ist alles vergessen und wir befinden uns in einer Diskussion über den Israel-Palästina-Konflikt.
    Ich bin erleichtert, dass ich auf Sophies Frage nach Marions anderen Freunden nicht antworten muss, und schlage mich zur Belohnung auf ihre Seite (sie gesteht den Palästinensern zu, sich notfalls mit Gewalt gegen die Besetzung wehren zu dürfen), nicht weil ich ihrer Meinung bin, sondern weil ich sie als Verbündete brauchen werde.
    Meine Macht über Marion endet bei ihrer Familie, das ist eine Tatsache. Zumindest ihre Eltern kann ich an diesem Abend davon überzeugen, dass ich keinen schlechten Einfluss auf sie habe. Sie bitten mich, bald wiederzukommen, spätestens nach dem Urlaub. Selbst Sophie verabschiedet sich halbwegs besänftigt mit einem Küsschen auf die Wange.
    Es folgen drei scheußliche Wochen. Marion geht so oft sie kann in eine Bar in der Nähe ihres Hotels und vertelefoniert ihr gesamtes Taschengeld, aber das klappt nur alle zwei Tage. Sie schreibt mir dafür jeden Tag eine Postkarte, von denen die meisten erst ankommen, als sie wieder zurück ist.
    Aber nicht nur die Sehnsucht macht mir zu schaffen.
    In dieser Zeit verlieren meine Fantasien ihren anonymen Charakter. Sie bekommen ein

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