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Das Falsche in mir

Das Falsche in mir

Titel: Das Falsche in mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Bernuth
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erwachsenes Leben zurückkehren, und niemand wird ihnen etwas ansehen .

Zweiter Teil

1

    1. Februar 1976
    Sophie = Arschloch. Mindestens zehn Haare von ihr liegen im Waschbecken. Sie kämmt sie sich morgens über den Kopf aus, und dann bleiben sie einfach da drin liegen, weil sie so unordentlich und faul ist. Ihre Bürste liegt auf dem Boden und ist auch voller Haare. Es ist ihr egal, ob andere Leute sich vor ihren Haaren ekeln. Ich könnte kotzen, aber Sophie ist schon weg und ich muss diese widerlichen Dinger ANFASSEN. Eins nach dem anderen.
    WIDERLICH!
    Ich wasche mir danach fünf Minuten lang die Hände, aber das Gefühl geht nicht weg.
    Der Tag ist ganz schwer, die Wolken hängen tief. Ich gehe zur Quälanstalt und versuche so zu sein, wie die mich haben wollen. Aber je mehr ich das versuche, desto mehr bin ich ich, und mich als ich kann man nicht mögen.
    Geh mehr aus dir raus, sagt Mama.
    Haha.
    Ich bin in mir drin und bleibe da.
    Kaum bin ich in der Schule, geht’s schon los. Sie schauen mich an und dann schauen sie weg, weil ich so ein hoffnungsloser Fall bin, dass man sich mit mir nicht abgeben kann. Ich werde rot und finde ihre Witze blöd und nicht komisch, und deshalb können sie mich nicht mögen.
    Ich finde nichts komisch. Ich bin immer ernst. Ich werde rot, mein Gesicht wird ganz starr, wenn man mich anspricht, und mir fällt nichts ein, was ich antworten könnte.
    Man kann mich nicht mögen, so viel ist schon klar. Ich werde nie Freunde haben und mich wird nie jemand heiraten. Wer Angst vor anderen hat und nicht redet und nie lacht, wird nicht geheiratet.
    3. Februar 1976
    Meine blöde Mutter.
    Blöde, blöde Kuh.
    Sie sagt, dass ich mich nicht so haben soll. Auf einer anderen Schule sei es auch nicht anders. Aber das weiß sie ja gar nicht. Auf einer anderen Schule sind vielleicht nicht so viele Freaks, Punks und Alternativ-Idioten wie hier. Mama sagt, ich muss mich behaupten und dass es gut ist, anders zu sein, und dass ich es nicht nötig habe, mich zu schämen, weil ich so bin, wie ich bin.
    …
    Ich schäme mich gar nicht, ich will nur nicht mehr so sein, wie ich bin, sondern so, wie man sein muss, um Freunde zu haben.
    Dann wieder weiß ich nicht, mit wem von denen ich wirklich befreundet sein will.
    Es reicht ja nicht, beliebt zu sein, man muss ja auch wissen, für wen. Eigentlich mag ich niemanden aus meiner Schule, also warum soll ich mir Mühe für jemanden geben? Warum soll ich mich so anstrengen, wenn da niemand ist, den ich nett finde?
    In der Grundschule hatte ich Freundinnen. Die mochte ich.
    …
    Jetzt mag ich gerade niemanden.
    Ich bin deswegen lieber allein, logisch, aber das findet jeder unnormal. Ein Mädchen in meinem Alter muss mit Freundinnen – IRGENDWELCHEN Freundinnen, egal, wie die sind – rumhängen und über andere lästern, das finden dann alle normal. Aber die Mädchen in meiner Klasse sind entweder langweilig oder ekelhaft. Die, die nicht langweilig sind, tun immer nur so, als ob sie nett wären.
    Sie drehen sich zum Beispiel in die andere Richtung, wenn jemand wie Nico aus der Parallelklasse vorbeikommt. Sie tun so, als würden sie ihn nicht sehen. Und wenn er weg ist, dann lachen sie sich halb tot über seine O-Beine und seine Pickel.
    Dieses Lachen hasse ich. Nicht weil es gemein gegenüber Nico ist, der ja sowieso nichts davon mitkriegt. Und wahrscheinlich wäre es ihm auch egal. Ich hasse das Lachen, weil es nicht echt ist. Kein Mensch lacht so, wenn er etwas wirklich lustig findet.
    O-Beine sind ja auch nicht lustig.
    Dieses Lachen ist kein Spaßlachen, es heißt nur: Wir gehören zusammen und ihr gehört nicht zu uns.
    8. Februar 1976
    Mama heult, weil Papa nicht zu Hause ist.
    Sie tut so, als wäre es nicht deswegen, aber es ist deswegen. Papa hat eine Freundin, glaubtMama. Das hat sie neulich irgendwem am Telefon erzählt. Ich war gerade in der Diele und barfuß, weil ich mich in den Garten in die Sonne legen wollte, da hörte ich, wie sie sagte: »Paul macht ÜBERSTUNDEN.« Das Wort ›Überstunden‹ betonte sie ganz komisch, sodass ich neugierig wurde und stehen geblieben bin.
    Schließlich hat sie gesagt: »Ich komme mir so betrogen vor«, und dann noch: »mein Leben ist eine einzige Lüge«, und dann fing sie an zu weinen, wie in einem blöden Kitschroman.
    Jetzt sitzt sie in seinem Arbeitszimmer und heult. Ich komme von der Schule und kann sie von draußen durch das Fenster sehen. Vielleicht will sie das sogar, dass jemand sie sieht. Dass jemand

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