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Das Falsche in mir

Das Falsche in mir

Titel: Das Falsche in mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Bernuth
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viele andere Menschen würdeich damit verletzen. Ich kann mich nur stellen, wenn ich mich erinnere. Wenn ich es wirklich war: Dann muss ich es tun.
    Ich laufe, laufe durch die leeren Straßen, meine Glieder sind so steif gefroren, dass ich sie kaum noch spüre. Was ich spüre, sind heiße, zornige Tränen über meine aussichtslose Situation.

10

    2. November 1976
    Lukas will mit mir Schluss machen.
    Ich kann nichts mehr denken.
    Ich liege im Bett und starre die Decke an.
    Ich bin ganz steif. Ich kann mich nicht mehr bewegen.
    …
    3. November 1976
    Ich bin nachts ausgestiegen, über das Flachdach der Garage geschlichen und am Rankengitter herunter in den Garten geklettert wie schon tausend Mal vorher. Dann über den Zaun und zu Lukas. Dann habe ich Steinchen an sein Fenster geworfen, so lange, bis Licht angegangen ist. Als er das Fenster aufgemacht hat, habe ich mich ins kalte Gras gelegt und im Licht gebadet.
    Er hat gerufen, dass ich gehen soll, dass es keinen Sinn mehr hat. Aber ich habe meine Augen zugemacht und bin einfach liegen geblieben. Das Herbstlaub unter mir war ganz klamm, ich habe gefroren, aber ich habe mich gezwungen, nicht zu zittern. Er sollte sehen, dass es mir ernst war.
    Schließlich ist er heruntergekommen und hat mir die Wohnzimmertür aufgemacht. Er muss nicht leise sein wie ich, sein Vater ist nie da, und seine Mutter hört nichts, weil sie immer schläft. Ichbin hineingegangen und habe mich in seine Arme geworfen. Es war mir egal, dass er so getan hat, als wäre ihm das lästig, ich habe ihm nicht geglaubt. Und schließlich habe ich gespürt, wie sein Körper weich geworden ist und dann hat er mich so fest an sich gepresst, dass es wehtat, aber es war egal.
    Es war sogar gut, Liebe muss wehtun.
    Ich bin mitgegangen in sein Zimmer. Sein Bett war frisch bezogen, und alles war aufgeräumt. »Ich wollte von vorn anfangen«, sagte er. Wir haben uns in sein Bett gelegt, es roch so gut. Und dann haben wir miteinander geschlafen, ganz normal, ohne Messer und alles.
    Und alles war wieder gut.
    5. November 1976
    Ich bin krank.
    …
    9. November 1976
    Ich bin krank.
    Alles ist grau.
    10. November 1976
    Eine der Wunden hat sich entzündet, aber ich kann nicht zu Dr. Leifert gehen, er würde komische Fragen stellen, wegen der anderen Schnitte, die auch noch nicht ganz verheilt sind. Ich bepinsle die Wunde mit Jod und hoffe, dass alles gutgeht.
    11. November 1976
    Grau, grau, grau.
    Dr. Leifert hat mich drei Tage krankgeschriebenund die Wunde versorgt. Ich behandle sie jetzt mit einer Kortisoncreme. Vor Dr. Leifert habe ich so getan, als hätte ich mir die Schnitte selber beigebracht.
    Dann habe ich ihn angefleht, meinen Eltern nichts zu sagen. Er hat gesagt, auch bei einer Minderjährigen gelte die Schweigepflicht, aber so etwas Besorgniserregendes könnte man nicht verschweigen, da sei Gefahr im Verzug.
    Aber dann hat er es ihnen wohl doch nicht gesagt, denn sie benehmen sich ganz normal.
    Aber das ist alles nichts gegen das Grau.
    12. November 1976
    Das Grau bin ich und es ist um mich herum. Hüllt mich ein wie Nebel. Fühlt sich feucht an und schwer und gleichzeitig trocken wie Rauch, der in den Augen beißt. Ich kann nicht durchsehen. Ich bin so schwach, dass ich nicht aufstehen kann. Ich stehe dann doch auf, weil ich Lukas sehen muss, sonst sterbe ich.
    Ich liebe Lukas und gleichzeitig will ich, dass es aufhört. Diese Schnitte und all das.
    …
    16. November 1976
    Jetzt ist Lukas krank und ich bin gesund.
    Total verrückt.
    Lukas musste am Blinddarm operiert werden; er ist noch mindestens zwei Wochen im Krankenhaus, und ich darf ihn nicht sehen, denn er hatte eine Sepsis. Niemand darf zu ihm, sagt seine Mutter, erst nächste Woche.
    …
    Heute war ich mit Stephanie und ihren Freundinnenim Atlas-Café. Stephanie redet sonst nie mit mir. Sie ist viel hübscher als ich und wahnsinnig arrogant. Aber heute war sie so nett wie noch nie.
    17. November 1976
    Ich war wieder mit Steph und den anderen im Atlas. Wir haben nur Blödsinn gemacht und den Kellner verarscht. Es war lustig.
    18. November 1976
    Steph hat mich nach Hause begleitet und dann ich sie, weil wir so viel zu bequatschen hatten. Ich habe mich total in ihr getäuscht. Sie ist gar nicht arrogant und auch nicht oberflächlich. Sie macht sich unheimlich viele Gedanken. Über das Leben und ihre Eltern und so. Sie sagt, sie findet sich ganz oft hässlich.
    Ich habe dann gesagt, dass ich mich auch hässlich finde, und da hat sie mich

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