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Das falsche Opfer

Das falsche Opfer

Titel: Das falsche Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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Ich lächelte
sie etwas verkrampft an. »Das ist eines unserer augenblicklichen Probleme.«
    Sie fuhr sich mit ihrer
üblichen unbewußten Geste durch das lange rote Haar.
»Einschließlich Philipp Irving?«
    »Ja.«
    »Und mir?«
    »Auch das.«
    »Das hat er mir am Telefon
gesagt.« Das Zittern in ihrer Stimme war schnell heftiger geworden. »Ich konnte
es nicht glauben, deshalb wollte ich Sie selber fragen.«
    »Wir haben außer Ihnen beiden
noch eine ganze Menge Leute, die in Frage kommen«, sagte ich grimmig. »Im
Augenblick wimmelt es nur so von Verdächtigen und Motiven — es ist beinahe zuviel des Guten.«
    »Ich wette, es war diese
Bestie, die Ihnen einen Haufen Lügen über mich und Philipp erzählt hat«, sagte
sie wütend. »Ich habe nie gedacht, daß ich jemanden derartig hassen könnte,
Lieutenant, daß mir am liebsten wäre, er wäre tot. Aber nun geht mir der
Gedanke nicht mehr aus dem Kopf, ich bin förmlich davon besessen. Einmal sehe
ich sie tot mitten auf der Straße liegen, das Opfer eines geflohenen
Autofahrers. Fünf Minuten später sehe ich sie inmitten eines gedrängt vollen
Aufzugs — plötzlich steigen alle aus, und sie sinkt sanft zu Boden. Sie hatte
einen Herzinfarkt, verstehen Sie, und war schon seit dem ersten Stock tot.«
    »So was gefällt mir«, sagte ich
nachdrücklich. »Sehr poetisch, geradezu ein Sonett.«
    »Dann wieder habe ich die
Vorstellung, es sei mitten in der Nacht und ich sehe diesen schrecklichen Mann,
ein Messer in der Hand, in das Fenster ihrer Wohnung klettern. Er ist ein aus
der Heilanstalt entflohener Irrer, ein Lustmörder und —«
    »— das ist die Vorstellung, die
Ihnen am besten gefällt«, beendete ich ihren Satz.
    Ihre Lippen lächelten, ohne daß
ihre Augen den bekümmerten Ausdruck verloren. »Ich glaube, ich komme Ihnen
entweder blöde oder einfach komisch vor«, sagte sie gepreßt. »Die Schwierigkeit
ist nur, daß ich niemandem erklären kann, wie sehr solche Vorstellungen für
mich Wirklichkeit sind.«
    »Ich würde an Ihrer Stelle
versuchen, diesen Impressionen nicht allzusehr nachzugehen«, sagte ich vage. »Ich kann begreifen, daß Sie und Angel sich nicht
vertragen, aber so verzweifelt liegen die Dinge doch nicht. Oder?«
    »Ich hoffte, Sie würden mich
verstehen«, sagte sie mühsam. »Ich habe mir immer einzureden versucht, Sie
würden mich vielleicht begreifen. Es wird bald etwas Schreckliches geschehen,
Lieutenant. Ich spüre es kommen; ich weiß, daß es nicht aufzuhalten ist; fragen
Sie mich nicht, wieso. Aber wenn es geschehen ist, wird alles ihre Schuld
gewesen sein. Mit ihren Lügen und ihren billigen vulgären Tricks macht sie aus
allen intelligenten Männern völlige Idioten.«
    »Warum versuchen Sie nicht, die
Geschichte weniger tragisch zu nehmen, Mrs. Kramer?«
sagte ich höflich. »Ich bin überzeugt, es wird alles restlos in Ordnung kommen.
Wir werden den Kerl, der Ihren Mann ermorden wollte und aus Versehen Hoffner umgebracht hat, erwischen. Beruhigen Sie sich nur.«
    »Vielen Dank, Lieutenant«,
sagte sie mit ausdrucksloser Stimme. »Es war sehr freundlich von Ihnen, so
geduldig die hysterischen Phantastereien einer einfältigen Frau anzuhören.«
Ihre Lippen zuckten in einer grotesken Imitation eines Lächelns. »Noch etwas,
das Sie vielleicht amüsieren wird, Lieutenant — ich bin erst vor ungefähr
vierundzwanzig Stunden dahintergekommen, wie dumm ich die ganze Zeit über
gewesen bin — und nun ist es zu spät, etwas daran zu ändern.«
    Sie stieß die Tür auf, glitt
mit einer geschmeidigen Bewegung aus dem Wagen und war weg, bevor mir das Ganze
richtig zu Bewußtsein kam. Ich reckte den Hals und
sah zu, wie sie mit schnellen Schritten zum Haus zurück ging. Ich hatte das unheimliche
Gefühl, das einen leicht überfällt, wenn man das erstemal chinesische Musik hört — das Ohr lehnt sie ohne weiteres ab, aber der Verstand
besteht darauf, irgendeinen Sinn dahinter zu finden, selbst wenn keinerlei
Melodie erfaßbar ist.
    Dann wurde mir bewußt, daß es
kurz nach sechs war und daß ich nahezu eine Stunde durch den Stoßverkehr in der
Innenstadt brauchen würde, um in meine Wohnung zu gelangen. Ich war, wie ich
mich erinnerte, um Punkt acht verabredet. Das Gefühl, einen langen, harten Arbeitstag
hinter mich gebracht zu haben, überkam mich, obwohl ich nicht genau wußte,
warum ich dieses Gefühl hatte. Ich drehte den Zündschlüssel um, und der Healey
sprang an. Zum Kuckuck mit der ganzen Geschichte, dachte ich vergnügt,

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