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Das falsche Urteil - Roman

Das falsche Urteil - Roman

Titel: Das falsche Urteil - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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Zeit für ein kleines Glas mehr hast. Es hilft immer weiter, eine Weile ruhig dazusitzen und Eindrücke zu sortieren.«
    »Tut mir Leid«, sagte Moreno bedauernd. »Aber ich verspreche, das beim nächsten Mal ein wenig besser zu planen. Bist du nicht übrigens verheiratet?«
    »Ein bisschen«, gab deBries zu.
    »Hab ich’s mir doch gedacht. Bis dann!«
    Sie sprang aus dem Wagen. Knallte mit der Tür und winkte ihm dann zu. DeBries blieb noch eine Weile sitzen
und schaute ihr hinterher. Morgen ist Samstag, dachte er. Freier Tag. So ein Dreck!

21
    Schnaubend beendete Van Veeteren die Lektüre von C. P. Jacobys Zusammenfassung und Analyse des Beatricemordes, die am 22. Juni 1962 in der Sonntagsnummer der Allgemeinen erschienen war. Er drückte gereizt auf den weißen Knopf am Nachttisch und eine halbe Minute später erschien die Nachtschwester in der Türöffnung.
    »Ich will ein Bier«, sagte Van Veeteren.
    »Das hier ist kein Restaurant«, sagte die müde Frau und strich sich eine vorwitzige Haarsträhne aus dem Gesicht.
    »Das ist mir auch schon aufgefallen«, sagte Van Veeteren. »Aber Tatsache ist, dass Dr. Boegenmutter oder wie zum Teufel der nun heißt mir das eine oder andere Bier als Diät verschrieben hat. Das soll den Genesungsprozess fördern. Also stellen Sie sich nicht quer, sondern holen Sie mir eine Flasche.«
    »Es ist schon nach Mitternacht. Sollten Sie nicht lieber schlafen?«
    »Schlafen?«, fragte Van Veeteren. »Ich bin mit einem Mordfall beschäftigt. Sie sollten verdammt dankbar sein. Es geht um einen Frauenmörder. Und gerade jetzt erschweren Sie die Ermittlungen ... also?«
    Sie seufzte und verschwand. Nach zwei Minuten war sie mit einer Flasche und einem Glas wieder zur Stelle.
    »Na also«, sagte Van Veeteren. »Braves Mädchen.«
    Sie gähnte.
    »Und Sie glauben, dass Sie selber eingießen können?«
    »Werde mein Bestes tun«, versprach Van Veeteren. »Ich klingle, wenn es nicht klappt.«

     
    Die Wanderung des kalten Biers durch seine Kehle war ein wahres Labsal. Er hatte während der letzten vier oder fünf Zeitungsausschnitte daran gedacht und versucht, sich Geschmack und Erlebnis vorzustellen, und der tatsächliche Genuss entsprach zweifellos seinen wirklich hohen Erwartungen.
    Zufrieden rülpste er. Dieser Göttertrank, dachte er. Also weiter. Was weiß ich?
    Leider nicht viel. Aber doch einiges, wenn man sich mit Quantität zufrieden geben mochte. Die Zeitungen hatten den ersten Prozess gelinde gesagt ausführlich geschildert. Noch hatte er wohl nur einen Bruchteil gelesen, doch Münsters Auswahl kam ihm repräsentativ vor; eine wild wachsende Flora von Spekulationen und Vermutungen über Verhavens Charakter, dazu ziemlich genaue Referate der Gerichtsverhandlungen. Und je weiter man kam, um so deutlicher wurden die Prognosen zur Schuldfrage.
    Verhaven. Es musste Verhaven gewesen sein.
    Tatsachen lagen nur wenige vor. Wie er erwartet hatte, waren die technischen Beweise ziemlich rudimentär. Oder eigentlich nicht vorhanden. Es hätte sich um einen reinen Indizienprozess handeln müssen, aber auch das war nicht der Fall. Tatsache war, wenn man kleinlich sein wollte, dass hier vor allem von fehlenden Beweisen die Rede war.
    Es gab keine konkreten Beweise.
    Und nicht viele Indizien, die wirklich auf Verhaven hinwiesen.
    Nichts.
    Und doch war er verurteilt worden.
    Nach einem sorgfältig geführten Prozess, zweifellos, dachte Van Veeteren und hielt sich die Flasche an den Mund. Wie gern wäre er dabei gewesen!
    Aber was hatte Verhaven denn nun den Kopf gekostet? Natürlich hatten Zeitungen und die lärmende öffentliche Meinung einen gewissen Druck ausgeübt, aber der Justizapparat
hätte sich doch als ein wenig widerstandsfähiger erweisen müssen.
    Nein, die Antwort war eine andere, das war klar.
    Der Charakter.
    Die Person, der Mensch Leopold Verhaven. Seine Vergangenheit. Sein Verhalten vor Gericht. Der allgemeine Eindruck, den er im Bewusstsein von Jury und Gericht hinterlassen hatte. Darum ging es.
    Der hatte ihn zu Fall gebracht.
    Denn Verhaven war ein Sonderling. Nachdem er ihn mit Augen und Lupen dieser vier Journalisten untersucht hatte, konnte Van Veeteren kaum zu einem anderen Schluss gelangen.
    Ein Mensch, der außen vor stand, ein Mensch, von dem man sich mit allergrößter Leichtigkeit distanzieren konnte.
    Eine andere Art.
    Ein Mörder? In Gedanken war dieser Schritt nicht weit, das hatte er nach vielen und langen Jahren gelernt, und wenn man diesen Schritt erst

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