Das Familientreffen
Arm legen. Sie wird ihre ganze Hand auf seinen Unterarm legen. Oder später wird sie vielleicht die Beuge seines Armes unter ihr Handgelenk nehmen und sich unterhaken, wenn sie zur Absperrung gehen. Und was immer sie tut, sie wird spüren, dass Nugent zurückzuckt.
Da steht Charlie vor ihr und verbeugt sich, während er ihr den offenen Mund einer Tüte mit Bonbons entgegenhält.
»Oh, labt mich mit Äpfeln«, sagt er, bevor er sich besinnt und sich umdreht, um die Bonbons zuerst Ellen, dem freundlichen Dienstmädchen mit dem Doppelkinn, anzubieten.
Den restlichen Nachmittag kümmert Lamb Nugent sich um Ada, während ihr bei Charlies Apfeldrops schmerzlich das Wasser im Mund zusammenläuft. Bei Myrellson aus der Dame Street, der ihn kennt und der es duldet, setzt er jeweils einen Penny. Auf Pride of Arras beim Drei-Uhr-Rennen, bei dem Ballystockhard als Erster durchs Ziel geht. Ada sagt: »Ist das meins, ist das meins?«, und Nugent sagt: »Nein, das ist nicht Ihres.« Den ganzen Nachmittag muss er mit ansehen, wie sein Glück schwindet, Street Singer, Con Amore, Daisy’s Boss – wer sucht diese Klepper bloß aus? Oh, aber beim Fairyhouse-Pokal müssen sie einfach auf Ellen’s Bean setzen, sie können gar nicht anders, und als das Pferd als zweites die Ziellinie überquert, hat Ada so viel Verstand, nicht nachzufragen, was »Nase vorn« bedeutet? Coolcannon stürzt bei der zweitletzten Hürde, und damit schwinden alle Hoffnungen, und dann hat Ada endlich Glück mit Knocknageena.
Juchhe!
Mittlerweile ist die ganze Gesellschaft so erschöpft von der Erregung der Rennen, den verlorenen Wetten und dem endlosen Warten dazwischen, dass, als Ada aufspringt und die Fäuste in die Luft reißt, ihnen allen nichts mehr verborgen bleibt. So könnte sie verharren – die aufsteigende Ada, erstarrt in Siegerpose, von ihren geballten Fäusten bis zu den Spitzen ihrer nach unten weisenden Schuhe. Als sie wieder den Boden berührt, ist alles entschieden: Einer dieser beiden Männer will, dass sie gewinnt, der andere, dass sie verliert.
Und sie weiß es.
Adas Pferd ist als erstes durchs Ziel gegangen. Aber es war nur ein Pferd – das ist nun wirklich nicht ihre Schuld. Vielleicht also ist es ihr Gerechtigkeitssinn, der sie dazu bewegt, Charlie zu wählen, Charlie, der sich für sie freut, im Gegensatz zu Nugent, den ihr Glück kränkt. Aber es besteht kein Zweifel – die Wahl ist getroffen.
Auf der Heimfahrt singt Ellen, die vorn sitzt; die Melodiefetzen ihrer schönen Stimme werden vom Wind zu ihnen nach hinten getragen: When Other Lips und I Dreamt I Dwelt . Sie verstehen einander ohne Worte, die vier Menschen in diesem Wagen. Sie sitzen da und denken darüber nach, was dies alles bedeutet: Charlie hat Ada für sich gewonnen, Nugent hat sie verloren. Und dies schürt in ihnen Gedanken über ganz anderes.
Charlie zum Beispiel denkt an all die Mädchen, die er an den Rand des Verderbens gedrängt hatte, bevor er jede von ihnen sitzen ließ. Er sagt alldem Lebewohl, der entzückenden, flitterhaften, endlosen Tristesse einer Frau nach der anderen, er hatte sie alle gehabt, bis ein Mann mit seinem Glied reden musste, wie man mit einem sabbernden Hund redet: »Jetzt reicht’s aber, mein Herr! Jetzt reicht’s!«
Ellen glaubt, dass sie sich nie verheiraten wird.
Nugent versucht, sich auf einen Traum in der Vornacht zu besinnen, denn der hat ihm offenbart, dass er verloren hat, noch bevor er sich bemüht. Es war ein Traum über seine Seele, über eine Lücke, die in seiner Brust klafft – denn die Seele ist weiblich -, da ist ein Mädchen, das in ihm erblüht, aus ihm hervorbricht, da ist eine Öffnung genau über seinem Herzen, die sich seiner Hand öffnet und aus der Nektar fließt, da ist – genau dort – ein Ort, wo alles Gute wie Hoffnung und gütige Liebe seinen Sitz hat, ein Ort, wo er herrliche Ruhe finden kann, wo er oder wo man in ihn eindringen kann, wieder und wieder, immer wieder, und wo er die süße Ekstase der Seele findet, bis ihn der Schreck über seine gotteslästerlichen Gedanken und das Nachbeben seines Samenergusses aus dem Schlaf reißt und er im Dunkeln darauf wartet, dass die Schweinerei erkaltet.
Ich weiß nicht, woran Ada auf dem Heimweg im Auto denkt. Vermutlich geht sie im Kopf alles durch und fragt sich, warum sie sich ausgerechnet in den einen verlieben musste, der ein Loch in der Tasche hat. Dennoch streckt sie Charlie die Hand entgegen und sagt: »Das war eine schöne Fahrt, danke.«
Und
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