Das Familientreffen
Dampf zischt, und Ada steckt wieder in ihrem Kleid mit den Hammelkeulenärmeln, als wir die Treppenstufen zu dem kleinen Dorf und der Buckelbrücke hinaufsteigen, von der man die Gleise sieht, die gen Norden, nach Rush and Lusk, abzweigen. Es gibt einen Laden, wo man Eislutscher kaufen kann, und man riecht das Meer, aber Ada muss weiter, und wir stehen an einer Bushaltestelle und warten, bis ein Fremder in einem pfefferminzgrünen Auto vorfährt und wir alle auf den Rücksitz klettern. »Sie wollen zum Krankenhaus?«, fragt der Mann hinter dem Steuerrad, Ada sagt: »St. Ita’s, ja«, und der Atem strömt langsam aus ihr heraus. Der Fremde lässt es auf sich beruhen, das schwere Wort, das jetzt neben uns im Wagen liegt. Er fahre nicht bis zum Tor, sagt er, werde uns aber in der Nähe absetzen. Offensichtlich ist es eine Angewohnheit von ihm, an dieser Bushaltestelle Leute aufzulesen, und an der Art, wie er »Krankenhaus« sagt, merke ich, dass St. Ita’s kein Krankenhaus ist. Wenn wir zu einem Krankenhaus wollten, hätte Ada es gesagt.
Auf dem Beifahrersitz sitzt ein Mädchen, etwa fünf Jahre alt. Sie hat unglaublich runde Augen, keine Schuhe und kein T-Shirt, und sie sieht quietschvergnügt aus, so neben ihrem Vater. Wir blicken einander an, als der Wagen hält, und sie sieht uns zu, wie wir aussteigen, so als würde sie trotz all ihres Glücks gern mit uns aussteigen. Und als der Wagen davonrollt, fährt ein Teil von mir mit ihr mit.
Ein anderer Teil von mir geht nach all den Jahren heute noch die Straße entlang, da wo der Fahrer uns abgesetzt hat. Es ist eine lange, schnurgerade Straße, eine Landstraße. Obwohl sie auf der einen Seite einen richtigen Bürgersteig aus Beton hat, und auf diesem Bürgersteig aus Beton laufen wir entlang, drei Kinder und eine Frau mit ihrem Einkaufsnetz. Neben dem Bürgersteig ist ein Graben und dahinter ein großes zitterndes Getreidefeld. Auf der anderen Seite der Straße steht eine Reihe wunderschöner zerzauster Bäume mit einem tief liegenden Streifen Moorland dahinter. Auf unserer Seite kommt nach halber Strecke mitten im Feld ein Bungalow, und wir sind neugierig, ob ein Weg zu ihm führt oder ob er mitten im Getreide aufgegeben worden ist.
Weit vor uns – und dies war die längste und geradeste Straße, auf der ich mit meinen acht Jahren bisher gegangen war – ist ein Mann mit zwei Gehstöcken zu sehen, er humpelt die Straße entlang, indem er, auf die Stockgriffe gestützt, erst die eine, dann die andere Schulter hochzieht, seine Beine arbeiten auf merkwürdige Art gegen diesen Rhythmus an oder hinken ihm hinterdrein, so als benutze er die Stöcke nur zur Schau. Wenn die hochgezogene Schulter sich senkt, verdreht er die Hand am Gelenk, und vielleicht schwankt der Stock ein wenig, bevor er auf die andere Seite überwechselt. Hochziehen verdrehen schwanken treten. Hochziehen verdrehen wackeln treten. Soweit ich sehen kann, fehlt seinen Beinen nichts, außer dass sie langsam sind und die Straße unendlich. Hochziehen verdrehen wanken treten. Schulter, Hand und vielleicht, ja, Bein. Und eigentlich müssten wir ihn überholen, aber die Straße ist zu lang, und Ada wird immer von einem von uns Kindern aufgehalten, bis ich der Entfernung und der Aufregung des Tages wegen denke, dass an dem Mann mit den beiden Stöcken etwas anderes nicht stimmt, etwas, das wir nicht wissen werden, bis wir ihn eingeholt haben, ein verunstaltetes Gesicht oder eine Miene, die wir jetzt noch nicht sehen können. Wir nähern uns, sind aber noch nicht bei ihm angelangt, wie er da so die Straße entlangwankt, an Boden gewinnt und eine weitere Strecke zurücklegt, als man es einem Mann mit zwei schlimmen Beinen zutrauen würde, und eigentlich könnten wir ihn einholen, außer dass Kitty auf die Straße hüpft oder Ada von dem Netz behindert wird, das ständiges Verlagern und Zugreifen erfordert. Schließlich enthält es nicht nur Eierbrote in Wachspapier, sondern auch noch etwas anderes. Im Netz befinden sich noch andere kleine Päckchen, die zu schön sind für unser Picknick, Päckchen für ältere Damen, eingeschlagen in Geschenkpapier mit Klebestreifen. Eines sieht aus wie eine Schachtel After Eight, das andere ist sehr unförmig und könnte alles Mögliche sein. Ada hat sie in einem separaten Plastikbeutel im Einkaufsnetz, und vorn ist jeweils mit Kugelschreiber ein Name draufgeschrieben. Ada besucht jemanden im Krankenhaus, und danach gehen wir an den Strand. Und natürlich habe ich das schon
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