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Das Feenorakel

Titel: Das Feenorakel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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noch Zeit hatte, glitt er vom Barhocker und ging auf Alva zu. Wohl wissend, dass sie jede seiner Bewegungen mit angehaltenem Atem verfolgte. Sie würde sehen, dass die Menschen, die dicht gedrängt darauf hofften, die Aufmerksamkeit der wirbelnden Barkeeper zu gewinnen, ihm unaufgefordert Platz machten. Doch das war Julen beim Anblick der zerbrechlich wirkenden jungen Fee in diesem Augenblick herzlich gleichgültig. Das Heben und Senken ihrer Brust weckte erneut seinen Hunger. Er hätte gern mehr von ihr gesehen als nur den hektischen Puls an ihrem Hals.
    Nein! Seine innere Stimme besaß mehr Vernunft als er. Julen fand sich in gefährlicher Nähe zu Alvas Hals wieder. Schnell wich er einen Schritt zurück und der Druck in seinem Kopf ließ nach.
    Aus ihrer Reaktion las er Überraschung und eine Spur von Enttäuschung. Das schmeichelte ihm und für einen Augenblick erlaubte er es sich, die Situation zu genießen.
    Doch dann gewann der Vengador in ihm endlich wieder Oberhand und er schenkte ihr ein routiniertes Lächeln. «Machst du Pause?»
    Alva, augenscheinlich von der Situation überfordert, nickte nur.
    «Was möchtest du trinken?»
    Sie bat um ein Glas Wasser, das so schnell vor ihr stand, wie Julen es bewerkstelligen konnte. In ihrem schwärmerischen Zustand hätte sie seine Magie selbst dann nicht bemerkt, wenn er wie ein Geist aus der Flasche verschwunden und ebenso geheimnisvoll wieder aufgetaucht wäre.
    Das Raubtier, das bei jedem Vampir unter der dünnen Oberfläche polierter Höflichkeit lauerte, beobachtete fasziniert ihre Bewegungen. Wie sie das Glas ergriff, es an die Lippen führte, den Kopf in den Nacken legte und trank.
    Julen hätte schwören können, noch nie etwas ähnlich Erotisches gesehen zu haben. Bei jedem Schluck stellte er sich vor, wie die Flüssigkeit in ihrer Kehle hinabrann. Ein Tropfen löste sich vom Boden des Glases und fiel ihr ins Dekolleté, wo er aufreizend langsam über die zarte Haut glitt. Seine Hände zitterten, als er sich zwang wegzuschauen. Wäre es Blut gewesen, an dem sie sich labte, es hätte ihn nicht mehr erregen können.
    In diesem Augenblick hätte er sich ein paar Jahrhunderte mehr an Erfahrung gewünscht, um seine Emotionen besser zu beherrschen. Nur mit Mühe gelang es ihm, sein Verlangen vor den Unsterblichen in seiner Nähe zu verbergen. Doch ein Teil von ihr , davon war er überzeugt, wusste ganz genau, wie es in ihm aussah. Sie kannte ihn – auch wenn es nur aus einem ungewöhnlich lebendigen Traum war.
    Selten zuvor hatte Julen sich durchschaubarer gefühlt. Ihm kam es vor, als sähe er eine zweite Alva in ihr schlummern. Eine Frau, die sich bereit machte, die zarte Hülle eines Mädchens mit der Macht und der Erfahrung einer sehr viel reiferen Frau auszufüllen. Er konnte nur hoffen, dass es nicht der winzige Tropfen seines Blutes gewesen war, der diese Entwicklung ausgelöst hatte. Besonders verstörend fand er, dass er von hier auf jetzt ihre Gedanken kaum noch lesen oder spüren konnte, was sie wirklich war. Nur erfahrene Feen verstanden sich auf die Kunst, ihre wahre Identität zu verbergen. Welche Kräfte spielten da mit ihnen?
    «Danke!»
    Ihre Stimme brachte Julen in die Realität zurück. Sie wirkte verlegen.
    Es hätte schon einer begnadeten Schauspielerin bedurft, um diesen mädchenhaften Charme vorzutäuschen.
    Nein, Julen war überzeugt, dass sie selbst nicht ahnte, welche Kräfte sich in ihrem Inneren darauf vorbereiteten, die Herrschaft über ihr Leben zu übernehmen. Ob dies die wahre Gefahr war, in der sie schwebte? Hatte Kieran ihn womöglich engagiert, um ihr beim Feen-Coming-out zu assistieren? Dieser Gedanke war dermaßen absurd, dass er beinahe laut gelacht hätte. Das wäre, als machte man einen von uns zum Chef einer Blutbank , dachte er, um sich dann daran zu erinnern, dass die meisten internationalen Blutbanken tatsächlich in der Hand eines mächtigen Vampirclans waren. Shit!
    «Ich muss wieder zurück an die Garderobe. Bis später …» Der letzte Satz hing wie eine Frage zwischen ihnen in der Luft.
    «Bis später», sagte er mit flacher Stimme. Julen konnte sich nicht daran erinnern, sich mit ihr verabredet zu haben, aber das war nun auch gleichgültig. Nachdem sein Verstand allmählich wieder zu arbeiten begonnen hatte, bekam er das beunruhigende Gefühl, dass die vor ihm liegende Aufgabe weit mehr als ein Babysitterjob werden würde.
    Normalerweise war ihm in Nachtclubs selten langweilig. Und auch dieser bot für Eingeweihte

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