Das Feenorakel
Assistentin Cathy hatte ihn hereinbitten wollen, doch dieses Mal war er als ganz normaler Gast in den Club gegangen. Alva hatte ihn nicht bemerkt, weil sie viel zu beschäftigt damit war, ihren lächerlichen Job gewissenhaft auszuüben. Wäre sie wirklich seine Freundin, würde er sie gewiss nicht als Garderobiere arbeiten lassen. Diese Überlegung amüsierte ihn unerwartet, wusste er doch, dass die jungen Frauen ihrer Generation sich nicht ohne Weiteres Vorschriften machen ließen. Zuallerletzt von einem Liebhaber.
Ein Gutes hatte die Sache aber: Da er ohnehin über sie wachen musste, konnte er dies, da ihre Verbindung jetzt bekannt war, ohne Weiteres auch in angenehmerer Umgebung tun. Früher oder später, versuchte er sich zu beruhigen, hätte er seine Deckung ohnehin aufgeben müssen. Außerdem hast du es doch darauf angelegt! Zweifellos hatte seine innere Stimme recht. Wer wusste besser über Julens Beweggründe Bescheid als er selbst?
Also bereitete er sich auf einen langen Abend im Amnesia vor und hoffte, dabei ein bisschen mehr über seinen Gastgeber erfahren zu können. Der hiesige Statthalter war ihm nicht unsympathisch und die routinemäßige Überprüfung hatte nichts Negatives hervorgebracht. Richard war offenbar ein vorbildliches Mitglied der vampirischen Gemeinde, dennoch beschloss Julen, ihn noch einmal gründlicher zu durchleuchten.
Nun jedoch setzte er sich an die Bar, bestellte einen Drink und beobachtete das Kommen und Gehen der Gäste. Er machte aus seiner Anwesenheit keinen Hehl, um sein wertvolles Geheimnis nicht zu offenbaren. Als der Statthalter sich im Laufe des Abends zu ihm gesellte, begrüßte er ihn als eine willkommene Abwechslung.
Sie tauschten einige Höflichkeiten aus, Julen kam in den Genuss eines ausgezeichneten Blutcocktails und Richard gab eine gelungene Vorstellung als Chef. Unauffällig überwachte er das Geschehen in seinem Club und begrüßte hier und da wichtige Gäste, darunter auch einige Vampire. Seinen Gast stellte er niemandem vor, was auch nicht weiter verwunderlich war, denn kein Statthalter würde es gerne zugeben, einen Jäger des Rates in seinem Revier zu haben.
Immerhin nimmt er es ziemlich gelassen , dachte Julen, blieb jedoch aus alter Gewohnheit weiter auf der Hut. Gerade lehnte er das eindeutige Angebot eines außerordentlich attraktiven Blutjunkies ab, da betrat Alva den Raum. Er spürte sie sofort, obwohl ihm ihre Gestalt zwischen all den anderen Gästen so lange verborgen blieb, bis sie am anderen Ende des Tresens auftauchte, an dem er saß. Der Statthalter hatte sie ebenfalls bemerkt und Julen entging der prüfende Blick nicht, den ihm der Vampir zuwarf.
«Ist sie das?»
Julen drehte sich sehr langsam um. Aus schmalen Augen sah er den Statthalter an. Dass der sich von seinem Blick offensichtlich beeindrucken ließ, gefiel ihm zwar, aber früher oder später würde sein Interesse an Alva nicht mehr zu verheimlichen sein. Deshalb schenkte er ihm ein unangenehmes Lächeln. «Beiwerk! Wenn du weißt, was ich meine.»
Der Statthalter nickte. «Du hast einen guten Geschmack. Die Kleine hat etwas Besonderes. Wenn ich nicht wüsste, dass ihr Bruder durch und durch sterblich ist, würde ich vermuten, dass Feenblut in ihren Adern fließt.» Ich kann sie nicht lesen.
Fast hätte Julen gelacht, als er diesen Gedanken seines Gegenübers erhaschte, weil der aus seiner Verwirrung in diesem unbedachten Moment keinen Hehl machte. Sein Blut in ihren Adern machte es anderen schwerer, sie zu lesen, aber offenbar besaß sie ihre eigenen Schutzmechanismen.
Wäre sie deine Seelengefährtin, könntest auch du sie nicht immer lesen! Ohne zu wissen, wieso ihm ausgerechnet jetzt dieser Gedanke kam, reagierte er dermaßen verärgert, dass ein drohendes Fauchen über seine Lippen kam.
Beschwichtigend hob Richard, der Julens Groll falsch interpretiert hatte, die Hände. «Sie gehört dir. Möchtest du, dass ich etwas arrangiere?»
«Herzlichen Dank. Um meine Spielzeuge kümmere ich mich selbst.»
Der Statthalter lachte wissend. «Apropos, ich habe da noch was zu tun.» Damit verschwand er in der Menge.
Als Julen sich überzeugt hatte, dass Richard wirklich fort war, hob er seinen Blick und sah in Alvas Augen. Dieses Mädchen hat tatsächlich etwas sehr Beunruhigendes! Julen ahnte, dass dies nichts Gutes für seine Mission bedeuten konnte. Rätselhafte Frauen waren schon immer seine Leidenschaft gewesen. Und eines Tages sind sie mein Untergang.
Weil er fand, dass es damit
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