Das Feenorakel
«Und warum interessiert du dich ausgerechnet für uns?»
Chris stieß ihn mit dem Ellenbogen an. «Siehst du nicht, wofür er sich wirklich interessiert?»
Sie lachten, als Stefan erst den Kopf in Alvas Richtung drehte und ihr dann spielerisch mit dem Finger drohte, weil ihm die zarte Röte auf ihren Wangen nicht entgangen war. Nur Tom stand auf, nahm sich eine Flasche Bier und ging wortlos zur Tür. Dabei rempelte er Julen absichtlich mit der Schulter an, doch wenn er geglaubt hatte, den schlankeren Mann aus dem Gleichgewicht bringen zu können, dann hatte er sich gründlich geirrt. Stattdessen geriet er selbst ins Taumeln und verließ mit einem Fluch den Raum.
Alastair blickte auf und warf Julen einen interessierten Blick zu. Bevor er jedoch etwas sagen konnte, steckte der Tourmanager der Fairytales sein Handy in die Tasche. «Leute, ihr habt gerade so etwas wie sechs Richtige im Lotto gemacht. Ich werde euch mit auf die Europatournee der Fairytales nehmen. Was sagt ihr dazu?»
Erst einmal sagten sie überhaupt nichts. Natürlich hatten sie darauf gehofft, aber dass ihr Traum nun Wirklichkeit wurde, verschlug ihnen vorübergehend die Sprache. Nur Alastair sagte: «Habe ich es dir nicht gesagt?» Er schlug Stefan auf die Schulter. «Alter, du schuldest mir einen druckfrischen Hunderter.»
«Ihr habt gewettet?» Chris’ Stimme klang empört.
Stefan lachte nur und hielt Alastair seine ausgestreckte Hand entgegen.
«Später! Glaubst du, ich trage Goldstücke in meinen Taschen herum?»
Alva mischte sich ein. «Ist das wirklich wahr? Wie kann das denn so schnell entschieden werden?»
«Kindchen, du bist neu im Geschäft. Ich dagegen mache das hier schon seit einer ganzen Weile. Und wenn ich sage, dass ihr eine große Zukunft habt, dann kannst du deinen süßen Arsch darauf verwetten!»
Julen räusperte sich.
Der Manager sah ihn mit schräg gelegtem Kopf an. Seine Augen glitzerten listig. «Und Sie möchten also über die Band schreiben? Darüber werden wir reden müssen.»
«Natürlich.» Innerlich schüttelte sich Julen vor der offensichtlichen Geldgier. Ein Hauch von Werwolf schien zu ihm herüberzuwehen und er hätte sich nicht gewundert, wenn der Mann mit einem der geschäftstüchtigen Gestaltwandler-Clans zu tun gehabt hätte.
In den letzten Tagen hatte sich Julen natürlich über die Midnight Fairytales und ihr Umfeld informiert, und dieser Manager galt als sehr erfolgreich in der Szene, das besondere Gen der Lycantropen trug er aber nicht in sich.
Aus dem Saal waren Applaus und Gekreische zu hören. Die Fairytales spielten als Zugabe noch einmal ihren Nummer-Eins-Hit und das Publikum tobte.
Danach dauerte es nicht lange, bis im Gang Stimmen laut wurden und die Musiker hereingepoltert kamen. «Das war geil!» Einer von ihnen griff in den bereitgestellten Kasten mit Bierflaschen und warf jedem der nach ihm Kommenden eine Flasche zu.
Tally betrat als Letzte den Raum und hätte Julen nicht schnell reagiert, wäre die für sie bestimmte Flasche an der Wand zerschellt.
«Gute Reflexe!» Der Werfer trank einen großen Schluck und wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab. Als er Tallys Blick bemerkte, grinste er. «Was ist?»
Die unterschwellige Aggression in seiner Stimme war nicht zu überhören, deshalb verzichtete Julen auf einen Kommentar, öffnete die Flasche, wobei erstaunlicherweise trotz der Erschütterung kein Tropfen herausquoll, und reichte sie der Sängerin, die ihm zum Dank dafür einen sinnlichen Blick gönnte, der jeden anderen wahrscheinlich zu ihrem Sklaven gemacht hätte. Julen bemühte sich um eine neutrale Miene. Er wusste, worauf das alles unweigerlich hinauslaufen würde, und freute sich nicht auf den Tag, an dem sie erkannte, dass er nicht so leicht um den Finger zu wickeln war. Ohne zu ihr hinzusehen, wusste er auch, dass Alva ihn genau beobachtete.
Der Manager klatschte in die Hände. «Hört mal her! Ich habe großartige News.» Er legte einen Arm um Stefan. «Unsere Freunde von One More Thing ... werden uns auf der Tournee begleiten.»
Die Ankündigung löste einen Tumult aus. « Deine Freunde», murmelte einer der Musiker, verstummte jedoch, als sich seine Blicke mit Julens kreuzten. Alle redeten durcheinander, doch der Grundtenor schien zu sein, dass die meisten Bedenken anzumelden hatten. Dies war auch verständlich, denn Alva und ihre Freunde hatten nur wenige Tage Zeit, um sich auf eine längere Reise ins Ungewisse vorzubereiten. Und die anderen waren ja nicht
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