Das Feenorakel
feiern.
Julen dirigierte sie zu der vorletzten Bank, setzte sich hinter sie und verschmolz unauffällig mit den Schatten, von denen es in dem schwach beleuchteten Gefährt viele gab.
Von hier aus beobachtete er, wie Alva sich überreden ließ, von dem Wein zu kosten. Er lauschte den aufgeregten Erzählungen, in denen jeder noch einmal das Erlebte aus seiner Perspektive schilderte, und freute sich, als er spürte, wie Alva sich in dieser fröhlichen Runde mehr und mehr entspannte.
Als Stefan und Tom sein Auftauchen diskutierten, ohne auch nur einmal in seine Richtung zu sehen, war Julen zufrieden.
«Woher kennst du ihn überhaupt?» Tom blieb misstrauisch und sein Tonfall verriet Eifersucht, obwohl er sich Mühe gab, sie zu verbergen. Doch die Art, wie er seine Frage formuliert hatte, verriet Julen auch, dass sein Plan aufging. Die Sterblichen hatten längst vergessen, dass er mit ihnen reiste. Sehr gut.
Nur Alva berührte kurz seine Hand, bevor sie behauptete, sie wären schon länger befreundet. Und es war nicht herauszuhören, ob sie das einfach erfunden oder ob er ihr diesen Gedanken eingepflanzt hatte. «Da läuft aber nichts!», beteuerte sie, als Chris ihr wissend zuzwinkerte.
Damit löste sie allgemeine Heiterkeit aus. Ihr Protest blieb unbeachtet, so dass sie schließlich selbst lachen musste. «Ihr seid unmöglich!»
Sie klang fröhlich, fast als hätte sie ihm niemals ihre Sorgen anvertraut. Julen seufzte innerlich. Den Kopf an die kühle Glasscheibe gelehnt begnügte er sich damit, sie in seiner Nähe zu spüren. Ja, es war richtig, ihr die Wahrheit zu sagen. Zumindest den Teil der Geschichte, den er selbst kannte und für wichtig hielt. Im Gegensatz zu Kieran, der häufig Informationen bis zum letzten Augenblick zurückhielt, war Julen der Auffassung, dass jemand am Besten zu beschützen war, wenn dieser um die Gefahr wusste, die ihm drohte, und entsprechend kooperieren konnte.
«Da sind wir!» Es klang wie ein Seufzer, als das Motorengeräusch grummelnd erstarb und sich die Bustüren zusammenfalteten wie die Flügel eines erschöpften Vogels.
«Seht mal, unser Küken träumt schon vom Ruhm!» Chris erhob sich träge von ihrem Sitz und zeigte auf Alva, die in ihrem Sitz eingeschlafen war.
Julen stand auf, bereit, sie in seine Arme zu nehmen und hinauszutragen. Doch Tom kam ihm zuvor. «Lass, ich kümmere mich um meine Schwester!» Mit einem kritischen Blick auf Julens schlankere Gestalt beugte er sich vor. In der Art, wie er seine Stiefschwester berührte, war wenig Brüderliches und Julen kämpfte mit einem unterdrückten Fluch gegen den Impuls, ihn am Kragen zu packen und windelweich zu prügeln.
Gerade wollte er den beiden folgen, da sprach Alastair ihn an. «Willst du uns wirklich auf die Tour begleiten?»
«Warum nicht?»
Der Neuseeländer mit dem schottischen Vornamen strahlte. «Gut! Ich könnte ein bisschen Hilfe gebrauchen. Kannst du einen Bus fahren?»
Stefan hatte sich bereits nach seinen Fahrkünsten erkundigt, er würde jetzt nicht kneifen. «Ich denke schon.»
«Dann lass uns eine Probefahrt machen.» Alastair wollte sich umdrehen.
«Jetzt?»
«Hast du es so eilig zu deiner Kleinen zu kommen?»
Julen schob ihn beiseite, setzte sich auf den Fahrersitz und startete den Motor. Er hatte noch nie im Leben einen Bus gefahren, aber Alastairs Gedanken beinhalteten die perfekte Anleitung und er hatte keinerlei Skrupel sich ihrer zu bedienen.
Auf einem Parkplatz, zu dem Alastair ihn dirigiert hatte, hielt Julen an. «Zufrieden?» Er drückte ihm den Schlüssel in die Hand. «Wir sind wirklich nur befreundet. Wenn es allerdings nach mir ginge ...»
Alastair kratzte sich am Kopf. «Sie ist überhaupt nicht mein Typ, aber sobald ich ihre Stimme höre ...» Er blickte Julen ratlos an. «Als ob sie mich verhext hätte.»
«Frauen sind eben unser aller Niedergang!» Julen sprang aus dem Bus. «Wir sehen uns!» Sekunden später war er in die Schatten eingetaucht. Bevor er endgültig verschwand, drehte er sich noch einmal um.
Alastair stand immer noch in der Tür seines Fahrzeugs und zog gierig an der selbst gedrehten Zigarette, aus der ein süßlich-würziger Rauch aufstieg. Regelmäßig erleuchtete die Glut sein Gesicht, bis sie schließlich in hohem Bogen durch die Nacht flog und am Boden verglomm. Er drehte sich um und verschwand im Inneren.
Julen wartete noch eine Weile, aber bald rührte sich nichts mehr. Was er vermutet hatte, bestätigte sich. Alastair lebte in seinem Bus; dass
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