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Das fehlende Glied in der Kette

Das fehlende Glied in der Kette

Titel: Das fehlende Glied in der Kette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Wärme seiner Worte dazu bei, dass meine berechtigte Verärgerung verschwand.
    «Ich überbrachte Lawrence Ihre Nachricht», sagte ich.
    «Und was hat er dazu gesagt? War er völlig verwirrt?»
    «Ja. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er keine Ahnung hatte, was Sie meinten.»
    Ich hatte erwartet, dass Poirot enttäuscht darauf reagieren würde, aber er erwiderte zu meiner Überraschung, dass er sich das schon gedacht hätte und darüber sehr froh wäre.
    Mein Stolz verbot mir zu fragen, warum.
    Poirot wechselte dann das Thema. «Mademoiselle Cynthia kam ja heute gar nicht zum Mittagessen. Wissen Sie, warum?»
    «Sie ist im Krankenhaus, sie arbeitet seit heute wieder.»
    «Das ist ja eine fleißige kleine Mademoiselle. Und hübsch dazu. Sie ähnelt Gemälden, die ich in Italien gesehen habe. Ich würde gern einmal einen Blick in ihre Apotheke werfen. Glauben Sie, sie würde das erlauben?»
    «Sie wird sich sicherlich darüber freuen. Es ist ein interessanter Arbeitsplatz.»
    «Geht sie jeden Tag dorthin?»
    «Sie hat mittwochs immer frei und kommt samstags zum Mittagessen nach Hause. Das sind ihre einzigen freien Zeiten.»
    «Ich werde daran denken. Frauen leisten ja heutzutage Außerordentliches, und Mademoiselle Cynthia ist klug – oh ja, die Kleine hat Verstand.»
    «Ja. Soweit ich weiß, hat sie ein schwieriges Examen bestanden.»
    «Zweifellos. Schließlich ist das eine sehr verantwortungsvolle Arbeit. Bestimmt haben sie dort auch sehr gefährliche Gifte?»
    «Ja, sie hat sie uns gezeigt. Sie werden in einem verschlossenen kleinen Schrank aufbewahrt. Ich glaube, Sie müssen sehr vorsichtig damit umgehen. Sie ziehen immer den Schlüssel ab, bevor sie den Raum verlassen.»
    «Aha. Steht dieser Schrank in der Nähe des Fensters?»
    «Nein, er steht an der gegenüberliegenden Wand. Warum?»
    Poirot zuckte die Schultern. «Ich hab mich das nur gefragt, das ist alles. Wollen Sie mit hineinkommen?»
    Wir hatten sein Cottage erreicht.
    «Nein, ich möchte lieber wieder nach Hause gehen. Ich werde den langen Weg durch den Wald nehmen.»
    Die Wälder rund um Styles sind wunderschön. Nach dem Spaziergang durch den sonnigen Park war es angenehm, langsam durch den kühlen Schatten zu schlendern. Es regte sich kaum ein Lüftchen, selbst das Vogelgezwitscher klang gedämpft. Ich folgte einem engen Pfad und ließ mich dann am Fuß einer mächtigen alten Buche nieder; die ganze Menschheit erschien mir in einem rosigen Licht. Ich verzieh sogar Poirot seine dumme Geheimniskrämerei – mit einem Wort: ich befand mich in Harmonie mit der ganzen Welt. Dann gähnte ich.
    Ich grübelte über den Mord nach, und plötzlich erschien er sehr unwirklich und sehr weit weg.
    Ich gähnte wieder.
    Wahrscheinlich ist er in Wirklichkeit nie geschehen, dachte ich. Natürlich – es ist einfach nur ein böser Traum. In Wirklichkeit hatte Lawrence Alfred Inglethorp mit dem Krocketschläger ermordet. Aber es war töricht von John, sich deshalb so aufzuregen und laut herumzubrüllen: «Ich sage dir, ich werde das nicht dulden!»
    Ich schreckte aus meinem Nickerchen hoch.
    Mir wurde sofort klar, dass ich in eine äußerst peinliche Situation geraten war. Denn nur wenige Meter entfernt standen John und Mary Cavendish einander gegenüber und befanden sich ganz offensichtlich mitten in einer heftigen Auseinandersetzung. Und genauso deutlich war mir klar, dass sie sich meiner Gegenwart nicht bewusst waren, denn bevor ich mich rühren oder etwas sagen konnte, wiederholte John die Worte, die mich aus meinem Traum gerissen hatten: «Ich sage dir, Mary, ich werde das nicht dulden.»
    Marys Stimme klang kühl und klar: «Woher nimmst du das Recht, mein Verhalten zu kritisieren?»
    «Das ganze Dorf wird sich darüber das Maul zerreißen! Meine Mutter wurde erst am Samstag beerdigt und du machst mit diesem Kerl rum!»
    «Ach so.» Sie zuckte die Achseln. «Du regst dich also nur über den Dorfklatsch auf!»
    «Das stimmt nicht. Ich will nicht mehr, dass der Kerl hier rumschleicht. Außerdem ist er ein polnischer Jude.»
    «Ein paar Tropfen jüdisches Blut können nie schaden. Das mindert die» – sie sah ihn an – «die unerschütterliche Dummheit des Durchschnittsengländers.»
    Ihre Augen loderten, ihre Stimme war eisig. Es wunderte mich nicht, dass Johns Gesicht dunkelrot angelaufen war.
    «Mary!»
    «Ja?» Ihr Ton war unverändert.
    «Heißt das, dass du Bauerstein gegen meinen ausdrücklichen Wunsch weiterhin sehen wirst?» Das Flehen war aus seiner

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