Das ferne Leuchten - das Marsprojekt ; 1
ihren Knopf im Ohr, der ihnen alles ins Ohr flüsterte, was sie wissen wollten, und mit dem man einfach nur redete, wie sie es hier mit AI-20 konnten. Ganz zu schweigen von den Cybertreffs, den virtuellen Räumen und den fiktiven Erlebniswelten, von denen sie hier auf dem Mars ausgeschlossen waren aus dem einfachen Grund, dass Funksignale sich nur mit einer Geschwindigkeit von dreihunderttausend Kilometern pro Sekunde bewegten.
Sie warteten. Die Ziffern der Uhr an der Wand schienen wie zum Trotz langsamer zu laufen als sonst.
»Ronny und ich fahren übrigens heute Nachmittag mit Mrs Dumelle zum Festzelt raus«, fiel es Ariana ein, während sie auf den grauen Bildschirm starrten. »Ich soll euch fragen, ob ihr mitwollt.«
»Ja, klar«, stimmten Carl und Elinn sofort zu.
Sie warteten weiter.
Ein Anruf kam, von Abasi Kuambeke. Ob die Luft bei ihnen oben im Unterrichtsraum irgendwie anders sei als sonst?
»Nein«, antwortete Carl harmlos. »Wieso? Wie sollte sie denn sein?« Nur jetzt nicht verplappern.
»Ach, wir hatten gestern eine Störung im vorderen Laborbereich und suchen immer noch nach der Ursache. Also bei euch ist alles normal? Kein unangenehmer Geruch oder so?«
»Nein, nichts. Alles normal.«
»Hmm«, machte der Klimaingenieur. »Wirklich eigenartig.« Er bedankte sich, beendete die Verbindung, und sie starrten weiter auf die Meldung Warte auf Daten , hinter der ein kleines Symbol eine interplanetare Datenverbindung anzeigte.
Endlich war es so weit. Das Symbol der Raumfahrtkommission erschien zusammen mit einer Übersichtsliste. Carl folgte den Hinweisen und kam zu einer Auflistung aller Anträge des laufenden Jahres.
Der letzte Antrag hatte die Nummer 86-027. Als Gegenstand war Genehmigung einer Verstärkerstufe für das Mondobservatorium Tycho Brahe angegeben, als Status abgelehnt .
Von dem Antrag 86-024 stand nur die Nummer da. Keine Angabe zum Inhalt, kein Status, kein Verweis, nichts. Nur die nackte Nummer.
»Das ist vielleicht eine veraltete Liste«, sagte Ariana.
Carl fragte den Stand ab: Die Liste war so aktuell, wie sie nur sein konnte. »Merkwürdig, oder? Ein Antrag ohne Gegenstand.«
»Hmm«, machte Ariana und furchte die Stirn. »Und wenn wir doch jemand fragen? Jemand auf der Erde, meine ich. Erinnert ihr euch noch an den Journalisten, der uns vor ein paar Jahren interviewt hat?«
»Ach ja«, ließ Elinn sich brummig vernehmen. »Der uns in seinem blöden Artikel ›die Marskinder‹ genannt hat, als ob wir Babys wären.«
»Na ja, damals waren wir auch noch Kinder«, meinte Ariana. »Ich denke, Journalisten wissen manchmal eher, was hinter den Kulissen läuft. Wie hieß er noch mal? Es war ein griechischer Name, irgendwas mit V. . . Visli? Visiko?«
»Visilakis«, sagte Carl. »Michael Visilakis.«
»Genau.« Ariana lachte auf. »Erinnert ihr euch, wie er mit uns telefoniert hat? Mann, war das vielleicht grässlich.«
Natürlich konnte man über die Datenleitung zwischen Erde und Mars auch telefonieren, wenn man es unbedingt wollte, aber es war alles andere als ein Vergnügen, abgesehen davon, dass es sehr teuer war. Immerhin war der Journalist schlau genug gewesen, das Gespräch um die Konjunktion herumzuführen, das heißt, in der Zeit, in der sich Erde und Mars am nächsten standen auf ihren Bahnen um die Sonne. Aber auch da betrug die Entfernung immer noch rund sechzig Millionen Kilometer, was bedeutete, dass jedes Funksignal über drei Minuten unterwegs war. Wenn man eine Frage stellte, dauerte es also über sechs Minuten, bis man Antwort erhielt. Und sie hatten damals, vier völlig aufgeregte und ungeduldige Kinder, ständig dazwischengeredet, anstatt zu warten, und den armen Mann fast zur Verzweiflung getrieben, weil er irgendwann nicht mehr durchgeblickt hatte, welche Antwort zu welcher Frage gehörte. Sie kicherten, als sie daran zurückdachten.
»Wie er Carl gefragt hat, was er einmal werden will…«, bog sich Ronny vor Lachen, »und Carl hat dazwischengeredet und gesagt, ›Kartoffelbrei‹…!«
»Er hat gedacht, du willst ihn auf den Arm nehmen!«, prustete Ariana. »Weil er es einfach nicht kapiert hat, dass wir so weit weg sind.«
Carl grinste. »Er hat gedacht, wir sind zu schüchtern, um zu antworten.«
»Die Erdlinge sind manchmal wirklich so was von ahnungslos«, schüttelte Ariana den Kopf. »Da schreibt einer Reportagen über Raumfahrt und hat noch nie was von Lichtgeschwindigkeit gehört.«
Ronny konnte sich fast nicht mehr beruhigen. »Was willst
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