Das ferne Leuchten - das Marsprojekt ; 1
schlechtes Gefühl«, sagte sie den Fischen darin, aber die interessierten sich nur für das Futter.
7
Ein E-Mail von der Erde
Am nächsten Morgen trafen sie sich im Unterrichtsraum, früher als sonst, denn jeder von ihnen hatte noch ein paar Lektionen nachzuholen. Und außerdem konnten sie sich hier oben im externen Stationsteil fast genauso ungestört unterhalten wie in ihrem Geheimversteck.
»Ich weiß nicht«, meinte Ariana. »Kann es nicht sein, dass Pigrato sich nur wieder einen dummen Scherz mit der MacGee erlaubt hat? So wie sie ihr damals weismachen wollten, dass sie nur die ersten vier Wochen nach Ankunft Warmwasser kriegen würde, wisst ihr noch?«
»Ich glaub auch, dass ihr euch verhört habt«, erklärte Ronny entschieden. »Die können die Marssiedlung nicht einfach aufgeben. Das geht überhaupt nicht.«
»Das geht sehr wohl«, versetzte Carl. »Im Gegenteil, das können sie jederzeit tun. Und es gibt eine Menge Leute in der Regierung, die am liebsten die ganze Raumfahrt abschaffen würden.«
»Aber doch nicht einfach so, mit einem Federstrich«, beharrte Ariana. »Ich habe gestern Abend die Erdnachrichten angeschaut, und da kam nichts, kein Wort.«
»Weil eine Nachrichtensperre verhängt wurde. Das hat Bjornstadt ausdrücklich gesagt.«
»Seid ihr sicher, dass ihr euch nicht doch verhört habt?«
Carl zuckte friedfertig mit den Schultern. »Was heißt schon sicher? Jedenfalls klang es verdammt ernst.«
»Aber angenommen, in dem Antrag ging es in Wirklichkeit um etwas ganz anderes? Das hättet ihr nicht mitbekommen, weil sie die Tür zugemacht haben.«
»Wahrscheinlich wollen sie uns nur wieder was streichen«, warf Ronny ein. »Das machen die doch dauernd. Bloß die Erdlinge, die lassen sie uns.«
»Vielleicht ist es das«, spann Ariana den Gedanken fort. »Der Posten des Statthalters wird abgeschafft, und die Erdlinge dürfen alle nach Hause. Das würde zumindest erklären, warum Pigrato so guter Laune war.«
Elinn schüttelte entschieden den Kopf. »Das glaube ich nicht.«
Ariana strich sich ein paar widerspenstige Strähnen aus dem Gesicht. »Ja, ich glaub’s eigentlich auch nicht. Sag mal, wie war noch die Nummer von diesem Antrag? 86-024?«
Carl nickte. »Was immer das ist.«
»Das sollte sich doch herausfinden lassen, oder?«
»AI-20 weiß es jedenfalls nicht«, erklärte Carl. »Ich hab schon gefragt.« Aber wie er das so sagte, kam ihm eine Idee. »Was wir versuchen können, ist, über Internet die Bekanntmachungen des Raumfahrtausschusses einzusehen. Vielleicht finden wir da ja was.« Er rief eine Übersicht der Programme auf, die zur Verfügung standen. Tatsächlich, den alten Browser gab es immer noch. Versionsstand 2069, reif fürs Museum. »Wo steht denn die Erde gerade?« Er spähte auf den Kalender, der an der Wand hing. Es war ein Erdkalender, aber neben jedem Tag standen die Winkelpositionen von Erde und Mars bezogen auf die Sonne. »Abstand vierzig Grad, das sind 135 Millionen Kilometer, mit anderen Worten…«
»Siebeneinhalb Minuten«, sagte Ronny, der der Beste im Kopfrechnen war. Siebeneinhalb Minuten brauchte das Licht, brauchten Funksignale, um vom Mars zur Erde zu gelangen. Mit dieser Verzögerung – die je nach den Positionen von Erde und Mars zwischen drei und zwanzig Minuten betrug – kamen Fernsehsendungen auf dem Mars an. Und wenn Carl per Internet eine bestimmte Datei anforderte, in diesem Fall die Homepage des Raumfahrtausschusses, würde es mindestens fünfzehn Minuten dauern, bis er sie auf dem Schirm hatte.
»Nicht berauschend«, kommentierte Carl, während er sorgfältig die gewünschte Adresse eintippte und den Befehl, nicht nur die erste Seite, sondern auch die anschließenden zu laden, damit das nicht noch mal genauso lange dauerte.
Wie die Raumstationen, die Mondbasis, alle Raumschiffe, die von Mister Pigrato so gern zitierten Forschungsstationen in der Antarktis und überhaupt jeder Ort, an dem sich Menschen aufhielten, war auch der Mars ans Internet angeschlossen – aber die Verzögerungen beim Zugriff auf Rechner, die sich nicht auf dem Mars befanden, minderten das Vergnügen daran doch ziemlich. Im Grunde waren nur E-Mails benutzbar. Was das anbelangte, waren sie hier auf dem Mars fünfzig Jahre hinterher. Niemand benutzte mehr Browserprogramme, wie sie vor fünfzig oder hundert Jahren üblich gewesen waren – das war etwas für die Marssiedler oder fürs Museum. Auf der Erde hatten die Leute ihre eigene Künstliche Intelligenz,
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