Das Fest der Köpfe
das Gitter. Es erinnerte mich an eine Zelle, in die ich unfreiwillig hineingesteckt worden war.
Es mußte weg.
Ohne Schwierigkeiten richtete ich mich auf. Die Kleidung hatte man mir abgenommen. Ich trug eines dieser langen Krankenhausgewänder, die aussahen wie Leichenhemden.
Am liebsten hätte ich mir das Ding vom Körper gerissen und es kurzerhand verbrannt.
Das Gitter war nur eingehakt worden. Als ich es anhob, lösten sich die Haken. Innerhalb kürzester Zeit hatte ich das Hindernis beiseite geschafft. Es lag jetzt am Boden.
Was mir auffiel, war die Stille. Da kam mir das Rascheln des Nachthemdes schon laut vor, wenn ich mich bewegte. Okay, in Krankenhäusern ist es nie laut, aber so still wie in einem Grab auch nicht. Vom Gang her hörte ich keinen Laut. Schallschluckend sah mir die Tür auch nicht aus.
Meine Schuhe waren verschwunden. Irgendein dienstbarer Geist hatte unförmige Pantoffeln neben mein Bett gestellt. Ich wollte nicht mit nackten Füßen über den Kunststoffboden laufen und schlüpfte hinein. Die Pantoffeln waren eiskalt.
Dann stand ich auf.
Es war nicht einfach, denn der Schwindel ließ sich nicht vertreiben. Beim Hinsetzen hatte ich ihn kaum gespürt, nun geriet mein Kreislauf doch durcheinander.
»Verdammt, Sinclair«, keuchte ich, »du wirst doch nicht etwa schlappmachen?«
Es hätte noch gefehlt, wenn ich mich hier langgelegt hätte. So war ich sehr vorsichtig und hielt mich sicherheitshalber am Bett fest. Tiefes Durchatmen half mir dabei, den Schwindel nicht nur zu mildern, sondern ihn ganz zu unterdrücken.
Ich stand vor dem Bett.
Zur Tür gehen?
Das hätte ich gekonnt, aber das Fenster lag näher. Links von mir, nur wenige Schritte entfernt. Wenn ich tatsächlich fallen sollte, würde ich mich noch festhalten können.
Meine Knie zitterten ein wenig. Plötzlich brach mir der Schweiß aus. Ein verfluchtes Gefühl, aber keines, weil ich so schwach war, sondern das hatte etwas mit der Angst zu tun, es plötzlich nicht mehr schaffen zu können.
Das Fenster.
Ich konzentrierte mich darauf, obwohl die Scheibe hinter dem Vorhang versteckt lag. Um das Bett ging ich herum. Der Schweiß brach mir aus, das Herz klopfte schneller.
Lag es wirklich nur an meiner Schwäche, oder war es eine Folge irgendwelcher Medikamente, die man mir eingespritzt hatte? Ich traute hier keinem, obwohl mir noch kein Mensch begegnet war. Dieses Krankenhaus schien nur einen Patienten zu beherbergen — mich. Am Fußende des Bettes legte ich eine Pause ein. Ruhig bleiben, tief atmen, alles unter Kontrolle bekommen…
Mir fielen meine Waffen ein.
Verdammt noch mal, ich hatte sie nicht! Selbst das Kreuz hatte man mir abgenommen!
Der Gedanke daran, wehrlos zu sein, trieb mir das Blut ins Gehirn. Der Kreislauf drehte durch, ich zwang mich zur Ruhe, wollte dem Gefühl des Schwindels nicht nachgeben, denn alles konnte ich mir erlauben, nur keinen Sturz.
Es ging vorbei.
Ja, du bist okay, John! hämmerte ich mir ein. Du bist okay, du wirst es auch bleiben. Du wirst dich nicht unterkriegen lassen. Egal, was auch geschieht.
Diese psychische Massage richtete mich wieder auf. Ich verfiel nicht in Panik, sondern konzentrierte mich auf den schlammgrauen Fenstervorhang.
Wer in diesem Zimmer lag, befand sich in einer Umgebung der Trauer. Der konnte nicht schnell gesund werden, eine solche Umgebung war einfach schrecklich.
Die Schritte klappten.
Keine weichen Knie mehr. Ich drückte sie durch, ich ging weiter, ich gelangte an das Ziel und umfaßte mit der rechten Hand den Vorhang. Er bestand nicht aus zwei Hälften, deshalb gab es auch keinen Schlitz. Ich mußte ihn schon an einer Seite umklammern und ihn dann wegschieben. Es war nicht schwer, da er auf Rollen lief. Sehr schnell lag das Fenster frei — und enttäuschte mich, denn es bestand aus Milchglas. Auch wenn ich mich noch so anstrengte, was jenseits des Fensters lag, war nicht zu erkennen.
Eine Falle! schoß es mir durch den Kopf. Eine verdammte, widerliche Falle.
Voller Wut zerrte ich den Lappen wieder zu. Was hatte das zu bedeuten? Wer stand hinter dieser verfluchten Sache? Welches Spiel lief hier ab, dessen Mittelpunkt ich war?
Eine Antwort konnte ich mir selbst nicht geben. Und ein anderer, der hätte Bescheid wissen können, war nicht da.
Wie sah es mit der Tür aus?
Ich fühlte mich kräftig genug, hinüberzugehen. Sie war der Ausgang, ein Fluchtweg.
Ich setzte mich wieder in Bewegung. Sehr langsam und vorsichtig. Hinzu kam, daß ich in den mir zu
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