Das Fest der Köpfe
großen Pantoffeln kaum laufen konnte. Es fiel mir schwer, die Beine überhaupt vom Boden abzuheben. Es war mehr ein Schleichen. Auf dem Weg zur Tür mußte ich am Schrank vorbei. Er hatte zwei schmale Türen. In einem steckte ein Schlüssel. Ich stützte mich an der linken Schrankseite ab und drehte den Schlüssel mit der freien Hand herum.
Dann zog ich die Tür auf.
Ich sah eine Querstange mit Bügeln. Darauf hing meine Kleidung. Nichts fehlte, selbst das Geld war noch da.
Nur die Waffen sah ich nicht.
Beretta, Dolch und Kreuz waren verschwunden. Diese Dinge hatte irgend jemand mitgenommen.
Warum? Wußte der Dieb möglicherweise Bescheid, wer ich war? Hatten ihn meine Waffen auf die Spur gebracht?
Es konnte durchaus sein. Meine Gegner stellten oft genug Fallen, die als solche zu Beginn nicht zu erkennen waren. Es wäre nicht das erstemal gewesen, daß ich in eine solche hineingelaufen wäre. Ich drückte die Tür wieder zu und blieb noch nahe des Schranks stehen. Ich hatte Durst, Hunger ebenfalls. Beides konnte warten. Zunächst mußte ich einmal herausfinden, wo ich mich überhaupt befand. Vom Schrank bis zur Tür waren es nur wenige Schritte. Mir fielen plötzlich die Köpfe ein, die ich gesehen hatte. Warum erinnerte ich mich auf einmal an sie?
Das wußte ich selbst nicht.
An der Tür wartete ich. Es war keine leichte Entscheidung, sie aufzudrücken, vorausgesetzt, sie war nicht verschlossen. Am Fenster hatte ich bereits Pech gehabt, hier an der Tür ebenfalls. Die Klinke ließ sich bewegen, nur konnte ich nicht raus aus dem verdammten Zimmer.
Zum erstenmal seit meinem Erwachen wurde mir überdeutlich bewußt, daß ich in einer Falle steckte. Man hatte mich bewußt auf der Fahrt nach Kimberly angehalten und dafür gesorgt, daß ich nicht mehr weiterfahren konnte.
Eine Falle!
Sie hatten alles gewußt. Meine Gegner waren wie unsichtbare Parasiten, die mich umschlichen. Und niemand wußte Bescheid. Weder Sir James noch Suko.
Ich wußte auch nicht, wo dieses Krankenhaus stand, falls es überhaupt eines war. Zeit genug hatte die andere Seite gehabt. Man hätte mich in irgendeine gottverlassene Gegend schleifen können, wo kein Hahn nach mir krähte.
Das war nicht gut, das war überhaupt nicht gut.
Vor der Tür wollte ich nicht stehenbleiben. Noch einen Versuch unternahm ich. Es war zwecklos, die Tür war abgeschlossen und damit basta.
Was tun?
Zurück zum Bett, setzen oder legen, nachdenken, überlegen, das Beste aus der Lage machen. Anziehen und versuchen, aus dem Fenster zu klettern, das war die einzige Möglichkeit.
Oder nach dem Personal schellen?
Nur sah ich keinen Knopf, der ein Alarmsignal hätte auslösen können. Bei einem normalen Krankenhaus wäre dies kein Problem gewesen, hier allerdings.
Ich schlurfte zurück zu meinem Bett. Es kam mir wie eine sichere Insel vor inmitten einer feindlichen Umgebung. Ich erreichte es ohne Schwierigkeiten und ließ mich darauf nieder. Der kurze Trip hatte mich schon angestrengt. War der heftige Schweißausbruch normal oder eine Folge der Einnahme irgendwelcher Medikamente, die man mir während meiner Bewußtlosigkeit gespritzt hatte?
Und doch tat sich etwas.
Die Geräusche waren nur leise zu hören, ich aber hatte empfindliche Ohren. Da kam jemand.
Leichte Schritte, ein leises Hüsteln, dann das Kratzen an der Tür, als würden lange Fingernägel draußen entlangstreifen.
Das Blut schoß mir in den Kopf, als jemand den Schlüssel herumdrehte. Ich steckte voller Spannung. Für einen Moment wischten fremde Bilder an meinen Augen vorbei. Ich sah schreckliche Köpfe, die zerplatzten und als Schatten wegflogen.
Halluzinationen?
Die Schwester war keine.
Sie stand im Raum, nur zwei Schritte von der Tür entfernt, und hatte beide Hände in die Seiten gestützt. Ihr Mund verzerrte sich, so daß er einen bösen Ausdruck bekam.
»Ach nein, Mr. Sinclair, schon auf? So haben wir nicht gewettet, Mister.«
Dann kam sie auf mich zu. Ein rollendes Monstrum, ein verzerrtes Etwas mit einem Kopf, der aus Gummi zu bestehen schien, das jemand in die Breite gezogen hatte.
Ich begann zu frieren…
***
Das Bild verschwand, der kurze Schock löste sich auf, die Schwester wurde wieder normal. So schlimm sah sie nicht aus.
Ich schätzte sie auf dreißig Jahre. Sie trug einen weißen Kittel. Ihr blondes Haar war kurzgeschnitten, verdeckte aber die Ohren. Das Gesicht wirkte angespannt freundlich. Besonders fiel mir der forschende Ausdruck in den grünen Augen auf. Die
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