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Das Fest der Schlangen

Das Fest der Schlangen

Titel: Das Fest der Schlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Dobyns
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    Die ganze Zeit blieb Hammy höflich und geduldig und dirigierte sie behutsam, ohne sie zu bedrängen, obwohl ihr nachher dämmerte, dass sie sehr viel mehr bezahlen würde, als sie vorgehabt hatte. Vielleicht konnte Harold die Hälfte ausspucken, der alte Geizkragen. Was noch dazukommen würde, waren das Grab selbst, die Friedhofshalle und der Grabstein. Ham hatte gesagt, er habe Freunde in diesem Bereich, und er versprach, er könne ihr den günstigsten Preis vermitteln. Vicki fand, Hammy habe sich entschieden verbessert, auch wenn ihr mulmig dabei gewesen war, am Anfang und am Ende seine Hand zu schütteln. Die weiche Rundlichkeit erinnerte sie an das Jenseits.
    Helen Greene wohnte allein in einem weißen Kolonialhaus mit blauen Fensterläden in der Bucklin Street, das, wie sie oft sagte, viel zu groß für sie war. Sie war siebzig Jahre alt, eine pensionierte Lehrerin und Witwe. Ihr Mann Maurice war vor vier Jahren gestorben. Er hatte Geschichte unterrichtet und war stellvertretender Schulleiter der Brewster Highschool gewesen. Ihre beiden Kinder, ein Sohn und eine Tochter, waren erwachsen. Der Junge war Zahnarzt in Providence, das Mädchen Sozialarbeiterin in Pawtucket. Helen Greene lebte allein, oder doch beinahe.
    In ihrem Wohnzimmer hatte Helen sechs Käfige mit Singvögeln: Finken und Kanarienvögel. Sie und das Lesen bildeten ihre hauptsächliche Unterhaltung. Natürlich hatte sie viele Freunde in der Nachbarschaft, und da sie vor vierzig Jahren angefangen hatte, an der Bailey Elementary School zu unterrichten, wohnten viele ihrer früheren Schüler in der Stadt. Vicki Lefebvre und Hamilton Brantley gehörten dazu, aber auch Ronnie McBride und der kommissarische Polizeichef Bonaldo.
    Gegen Ende der fünfziger und Anfang der sechziger Jahre, als Helen auf dem College war, hatte sie gern den Zug nach New York genommen und Greenwich Village besucht, um ins Theater zu gehen und in Secondhand-Buchhandlungen herumzustöbern. Neidvoll sah sie das, was sie als Bohème empfand. Einmal hatte sie sogar Charles Mingus in einem kleinen Club spielen gehört, und sie hatte es laut, aber beglückend gefunden. Sie hatte gehofft, sie könnte nach dem Examen selbst ins Village ziehen und zur Bohème gehören, aber stattdessen hatte sie Maurice geheiratet. Nun war sie zwar keine Bohémienne, aber sie trug gern bunte Kleider und Bauernschmuck aus farbenprächtigen Perlen, und sie liebte lange Röcke und bestickte Blusen. Wahrscheinlich war es das, was ihr Ärger einbrachte.
    Gehen zehn Uhr am Dienstagabend hielt ein Auto vor ihrem Haus, und zwei Männer rannten über ihren Rasen und warfen Steine in die Wohnzimmerfenster. Einer traf einen Kanarienkäfig, stieß ihn um und versetzte die Vögel in Panik. Eine Männerstimme schrie: »Fick dich, Schlampe!«, und dann liefen die Männer zurück zum Auto und verschwanden mit kreischenden Reifen in der Nacht.
    Doch sie hatten sich geirrt. Helen Greene mochte sich ein bisschen so wie Schwester Asherah kleiden, aber sie war keine Wiccanerin. Sie war Methodistin.

13
    Mabel Summers, Peggys Mutter, rief früh am Mittwochmorgen auf dem Polizeirevier in Brewster an. Sie hatte ihr Leben lang geraucht, und ihre Stimme war zu einem Gurgeln geworden. »Mein Baby ist weg. Sie ist nicht in ihrem Zimmer.« Es dauerte einen Augenblick, bis man begriffen hatte, dass Mabel von ihrer Tochter Peggy sprach, die siebzehn Jahre alt war.
    »Nein, ich weiß nicht, seit wann. Ich habe vor fünf Minuten einen Blick in ihr Zimmer geworfen, und da war sie weg.«
    Malone, ein Streifenpolizist, hatte den Anruf entgegengenommen. Er setzte sich sofort mit Chief Bonaldo in Verbindung, der zu Hause Rührei mit Speck aß. Fresssack Hopper hatte Peggys Haus im Auge behalten sollen. Man konnte noch nicht sagen, was mit ihm passiert war, aber Bonaldo hatte eine begründete Vermutung. Er alarmierte die Trooper und ein halbes Dutzend seiner eigenen Polizisten. Dann wischte er sich einen Rest Himbeermarmelade von der Unterlippe und zog sich an. Ihm war, als trage er die Last der ganzen Stadt auf den Schultern.
    Zehn Minuten später hielt er vor dem Haus der Summers, wo ihn einer seiner Detectives, Brendan Gazzola, und zwei Streifenpolizisten erwarteten. Gazzola war fünfzig, groß, dürr, ein Kettenraucher mit gelben

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