Das Fest der Schlangen
Hauch von Optimismus inmitten ihrer Frustration. Wie Gazzola sagte, sie hatten einen Haufen Einzelteile, aber Woody spürte, dass sie sich zusammenfügen würden wie eine zerbrochene Vase, deren Scherben wieder zusammenwuchsen.
»Ich fahre rüber zu Brantley.«
Wieso?«, fragte Bobby.
»Du erinnerst dich an Bonaldos Bemerkung über Clouston und Brantley, die wir für blöd hielten?«
»Ja«, sagte Gazzola. »Er sagte, sie hätten beide mit Toten zu tun.«
»Ich denke, es ist einen Besuch wert«, sagte Woody. »Wir sehen uns später.«
»Wann treffen wir vier uns das nächste Mal«, sagte Bingo, »bei Regen, Donner, Wetterstrahl?«
Gazzola grunzte. »Carl Krause ist nicht der einzige Irre hier.«
Als Woody fünf Minuten später seinen Truck in die Einfahrt des Bestattungsinstituts steuerte, sah er Seymour Hodges, der dabei war, die Scheibe in der Hintertür zu erneuern. Er parkte neben der Remise und ging hinüber zu Seymour, der ihn entweder nicht gesehen hatte oder ignorierte. Es war ein frischer Herbsttag, und der Himmel war so blau wie eine Maya-Kachel. Dicke Wolken zogen nach Osten. Im Ahorn schimpfte eine Elster auf eine unsichtbare Bedrohung.
»Was ist mit dem Fenster passiert?«, fragte Woody.
Seymour warf ihm einen Blick zu und fuhr dann fort, die verbliebenen Scherben aus dem Rahmen zu schlagen. »Ist kaputtgegangen.«
»Ja, das hab ich mir schon gedacht. Wie ist es denn passiert?«
»Kinder vielleicht.« Seymour war stämmig und rothaarig, und seine Augen hatten die gleiche Farbe wie der Himmel. Seine Nase sah zerquetscht aus, doch ob er so zur Welt gekommen war oder ob sie ihm jemand zerschlagen hatte, war nicht zu erkennen. Er trug Arbeitsstiefel, Jeans und ein dunkles Sweatshirt mit Farbklecksen.
»Hat Brantley Anzeige erstattet?«
»Digger sagt, die Cops hätten zu viel zu tun.«
»Hat jemand versucht einzubrechen?«
»Keine Ahnung. Ist kaputt, mehr weiß ich nicht.«
Woody merkte, wie er sich warm lief. Seymour wollte in Ruhe gelassen werden, und gerade deshalb bekam Woody immer mehr Lust, ihn weiter zu löchern. »Ich wusste nicht, dass Sie für Brantley arbeiten. Wann haben Sie angefangen?«
»Vor Kurzem.«
»Vor Kurzem war wann?«
»Diese Woche.«
»Dann sind Sie Carls Nachfolger?«
»Könnte man wohl so sagen.«
»Haben Sie Carl in letzter Zeit mal gesehen?«
»Nein, seit ungefähr einer Woche nicht mehr.«
»Werden Sie auch im Krematorium arbeiten, wie Carl?«
»Da müssen Sie Digger fragen.«
Seymour arbeitete weiter mit dem Rücken zu Woody, warf nur ein- oder zweimal einen Blick über die Schulter.
»Ist Brantley im Haus?«
»Nein.«
»Sondern?«
»Draußen im Ofen… draußen im Krematorium.«
»Was wollten Sie gerade sagen?«
»Nichts.«
»Sagen Sie’s schon.«
»Ofenpalast. So nennt Larry es. Aber Digger hat es nicht gern.«
»Wer ist Larry?«
»Der Chef im Ofenpalast, wenn Digger nicht da ist.«
»Haben Sie gekifft?«
Seymour drehte sich um, schaute auf Woodys Schuhe und hob den Blick dann zu seinem Gesicht. Das Weiße in seinen Augen war rosarot. »Aus medizinischen Gründen.«
»Ach ja?«
»Wegen dem Irak.« Seymour wandte sich wieder dem Fenster zu.
»Hat ein Arzt es Ihnen verschrieben?«
»Nicht ausdrücklich.«
»Was haben Sie im Irak gemacht?«
»Den üblichen Kram. Sie wissen schon.«
Einen Moment lang hatte Woody große Lust, ihn nach Drogen zu filzen und dann aufs Revier zu bringen, aber das war sein Zorn, der da sprach. Seymour reparierte hier nur eine Glasscheibe. Das war nicht gerade ein Kapitalverbrechen.
»Ich nehme an, Sie wissen nicht, wie lange Brantley im Ofenpalast sein wird?«
»Keine Ahnung.«
Nur um Seymour zu piesacken, fragte Woody: »Hat Carl Krause diese Scheibe eingeschlagen?«
Wieder drehte Seymour sich langsam um. »Weshalb zum Teufel sollte Carl eine verdammte Scheibe einschlagen?«
»War nur ’ne Frage.« Woody ging zu seinem Truck zurück und bemühte sich, seine Überraschung zu verbergen. Er war beinahe sicher, dass Seymour log, und er beschloss, zum Ofenpalast zu fahren.
Fred Bonaldo hatte den Ehrgeiz, gemocht zu werden. Seine Leidenschaft für Paraden und Uniformen war ein Teil dieses Ehrgeizes. War es möglich, einen Kerl in Uniform nicht zu mögen? Was Paraden anging, so versuchte er immer, an der Spitze mitzugehen, und wenn er in der Kapelle festhing, war er der Kerl mit der Basspauke. Als kommissarischer Polizeichef trug er zwar nur selten seine Uniform, aber er achtete darauf, seinen blauen Anzug
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