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Das Fest der Schlangen

Das Fest der Schlangen

Titel: Das Fest der Schlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Dobyns
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nicht mehr, was ich machen sollte. Und dauernd ging das Wasser an. Am Waschbecken war so ein Hahn mit Bewegungssensor, und ich wurde ständig angespritzt. Ich war klatschnass.«
    Lajoie beschloss, den Wasserhahn mit dem Bewegungssensor zu ignorieren. »Wann haben Sie ihn das letzte Mal gesehen?«
    »Vorgestern, als ich seine Wohnung verlassen habe.« Alice hob den Daumen an die Lippen und fing an, am Nagel zu kauen. »Er hat gesagt, er will mich nicht mehr sehen.«
    »Hat er gesagt, warum?«
    »Er hat einen Witz daraus gemacht.«
    »Was hat er gesagt?«
    » › Der Kick ist nicht mehr da. ‹ « Alice senkte den Kopf. » › Ich will dich nicht, das ist alles. ‹ «
    Detective Lajoie behielt ihr freundliches Lächeln bei. »Ist so was denn auch mit anderen Ärzten vorgekommen?«
    Alice wollte darauf nicht antworten. Sie war verlegen. Aber Lajoie ließ nicht locker.
    »Da war Dr. Stone, im letzten März. Wir haben’s auch auf der Toilette getan. Jetzt ist er im Providence Hospital. Ist einfach abgehauen.«
    Sie beschrieb die dreiwöchige Beziehung, die heimlichen Treffs, seine Angst vor dem Ertapptwerden. Zweimal war er nach Anbruch der Dunkelheit zu ihr in die Wohnung gekommen.
    »Und war er derjenige, der angefangen hat?«, fragte Lajoie. »Wie Dr. Balfour?«
    Alice wurde rot. »Nein, eigentlich nicht. Überhaupt nicht, ehrlich gesagt. Ich habe ihn wissen lassen, dass ich, äh, bereit war. Und zuerst war es eine orale Sache, wissen Sie, quasi da unten.« Sie zeigte an sich hinunter. »Aber dann kam er doch in Fahrt. Zumindest, bis er Angst kriegte.«
    Die beiden saßen eine Zeit lang schweigend da, knabberten an ihren Donuts und tranken Kaffee.
    »Sagen Sie, Alice«, fuhr Lajoie schließlich fort, »haben Sie vielleicht den Ehrgeiz, einen Arzt zu heiraten?«
    Alice fing an zu weinen. »Inzwischen ist es mir wirklich egal. Ich bin fünfunddreißig Jahre alt, und ich würde jeden heiraten, solange er nett ist.«
    Bingo Schwartz verbrachte einen entspannten Vormittag. Er hatte einen Haufen Telefongespräche zu führen und entschied, das ginge in einem weichen Sessel im Brewster Brew genauso gut wie im Auto oder auf seinem harten Stuhl auf dem Revier. In Jeans Radio lief WGBH aus Boston, und klassische Musik war fast so gut wie Oper, vorausgesetzt, sie spielten nicht Ravels Boléro , denn der machte ihn verrückt.
    Er rief sämtliche Polizeibehörden im Radius von hundert Meilen an, von Boston und Worcester bis hinunter nach New Haven und Bridgeport, und sprach mit den Detectives dort – mit denen er größtenteils schon gesprochen hatte – über vermisste Obdachlose. Jetzt wollte er wissen, ob ihnen zu diesem Thema noch etwas eingefallen war. Doch es war schwer festzustellen, ob ein Obdachloser vermisst wurde. Manche bekamen Sozialversicherungsschecks oder Medikamente, andere hatten regelmäßig Kontakt mit Therapeuten oder Bewährungshelfern. In solchen Fällen konnte ein versäumter Termin etwas bedeuten, aber meistens waren auch hier mehrere nötig, bevor jemand anfing, sich Gedanken zu machen. Fast alle Reviere kannten Obdachlose, die vielleicht verschwunden waren, allerdings konnten sie auch wieder auftauchen, und das geschah nicht so selten. Und nach einer gewissen Zeit gerieten diese Leute in Vergessenheit.
    Zwischen seinen Telefonaten malte Bingo sich die Bühnenbilder aus, die er bauen würde, wenn er in Rente ging, was er lieber heute als morgen täte, wie er jetzt dachte. An diesem Freitagmorgen arbeitete er an der Szene gegen Ende von Don Giovanni , in der der Don in die Hölle geschleift wird. Sollte der Boden sich auftun und Flammen hervorspeien – meistens rote und orangegelbe Seidenstreifen, die von einem Ventilator zum Flattern gebracht wurden –, oder würde er einen Dämon vom Schnürboden herunterschweben lassen, der Don Giovanni mit den Klauen packte? Bingo neigte zu der zweiten Option, denn die hatte er noch nie gesehen, aber sie erforderte einen akrobatischen Dämon, und der Trick bestünde darin, den Don nicht auf die Bühne fallen zu lassen, denn in Wirklichkeit war er ein Bariton, der viel Geld dafür bekam, diesen Part zu singen.
    In diesem Augenblick bekam Bingo einen Anruf von Eric Degroot aus Providence, mit dem er am Donnerstag gesprochen hatte.
    »Ich habe an deinen Obdachlosen gedacht, an den Verrückten«, sagte Degroot. »Ich weiß nicht, ob ich dir erzählt habe, dass ich mal einen Hund hatte, der vor fünf Jahren verschwunden ist. Maxie, ein netter kleiner Beagle.«
    Bingo

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