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Das Fest der Schlangen

Das Fest der Schlangen

Titel: Das Fest der Schlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Dobyns
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Überwachungskamera. Bevor Woody feststellen konnte, ob die Tür verschlossen war, ging sie auf, und Brantley winkte ihm freundlich entgegen.
    »Seymour hat mich angerufen und Bescheid gesagt«, erklärte Brantley. »Willkommen in meinem bescheidenen Etablissement.« Er lachte und schüttelte Woody die Hand. »Möchten Sie einen Rundgang machen? Leider gibt es hier keinen Zuschauerraum wie in manchen Krematorien, aber der steht als Nächstes auf meiner Liste der Verbesserungen. Haben Sie etwas Spezielles auf dem Herzen, wobei ich Ihnen helfen kann?«
    Brantley führte ihn in ein kleines Büro mit einem großen Fenster, durch das man in das Krematorium hineinschauen konnte. An der Wand hing ein Flachbild- LCD -Monitor, der viergeteilt war, sodass man die Bilder von vier Außenkameras sehen konnte. Direkt vor dem Fenster stand der Ofen, ungefähr so groß wie ein Ford-Lieferwagen und mit einer Edelstahlfront. Ein Hebetisch mit einem offenen Sarg aus Wellpappe stand daneben. Ein Mann mittleren Alters beugte sich darüber und tat etwas mit der Leiche, die in einen Leichensack aus Plastik verpackt war. Alles an ihm war grau: die schütteren Haare, das T-Shirt, die Hose, die Haut. Woody stellte sich vor, dass er von der Asche der Toten gefärbt war, nur gefielen ihm solche frivolen Gedanken nicht, und er schob auch diesen beiseite.
    »Das ist Larry«, sagte Brantley. »Er führt den ganzen Betrieb praktisch allein.«
    »Was macht er da?«
    »Kann ich nicht sagen – vielleicht schneidet er einen Schrittmacher heraus, oder er nimmt Ringe und anderen Schmuck ab. Herzschrittmacher explodieren im Ofen und richten eine ziemliche Sauerei an. Da müssen wir aufpassen. Wir finden aber auch Kunden mit Handys, iPods, Autoschlüsseln und allem möglichen Zeug. Das wandert alles zurück zur Familie, oder wir werfen es weg. Ich glaube, ich habe noch nie erlebt, dass jemand einen Schrittmacher zurückhaben wollte.«
    »Kunden?«
    Brantley lehnte sich in seinem Sessel zurück und verschränkte die Finger vor dem Bauch. »Ein kleiner Scherz bei uns. Selbstverständlich behandeln wir unsere Kunden mit dem größten Respekt, doch wie Sie selbst sicher wissen, entwickelt jeder Beruf seine eigene Sorte Humor, und der ist vielleicht nicht immer besonders geschmackvoll. Zum Beispiel nennt Larry den Betrieb den Ofenpalast.«
    »Habe ich gehört«, sagte Woody. »Kennen Sie die Bezeichnung Tischmann?«
    Brantleys Lächeln wurde ein bisschen härter. »Eine altmodische Bezeichnung. So, wie man Polizisten früher Pigs nannte. Tischmänner haben hauptsächlich in Leichenschauhäusern gearbeitet. Heute würde man sie wohl Bestattungskosmetiker nennen. Aber Ihr Besuch hat doch sicher wichtigere Gründe?«
    Woody stand am Fenster und sah Brantley an, behielt jedoch auch Larry im Auge. »Ich habe mich gefragt, ob Sie Benjamin Clouston kannten, der vorgestern ermordet wurde. Er hat als Pathologe im Krankenhaus gearbeitet.«
    Brantley machte ein nachdenkliches Gesicht und schüttelte dann den Kopf. »Das kann ich eigentlich nicht behaupten, obwohl ich natürlich von dem Mord gelesen habe. Absolut furchtbar. Wir haben mit dem Krankenhaus wenig zu tun, abgesehen von gelegentlichen Abholungen.«
    »Kunden?«
    »Ganz recht. Haben Sie eine Ahnung, wer ihn umgebracht hat?«
    »Noch nicht.«
    »Ich nehme an, es gibt einen Zusammenhang mit den anderen Ereignissen. Wer hätte gedacht, dass Brewster von Satanisten heimgesucht wird? Die Leute haben schreckliche Angst. Ich kenne ein paar, die schon die Stadt verlassen haben.«
    »Gut für Ihr Geschäft, nehme ich an.« Woody hatte nicht sarkastisch sein wollen und begriff zu spät, dass diese Bemerkung sarkastisch geklungen hatte.
    Brantleys Lächeln verschwand. »Die Lebenden sind uns sehr viel lieber als die Toten. Über dieses Thema machen wir keine Scherze. Darf ich Ihnen einen Rundgang anbieten?«
    Er führte Woody ins Krematorium und sprach über Filter, Wärmerückgewinnungsventilation, Etagenöfen und luftgesteuerte Mehrfachkammeranlagen. Woodys Aufmerksamkeit galt mehr dem Raum an sich, der streng funktional war, warm und staubig. Ist das Staub , dachte er, oder Asche? Und wenn es Asche ist, stammt sie dann von Brantleys »Kunden«? Er sah, dass der Mann, der in dem Leichensack wühlte, keine Handschuhe trug.
    »Die Kammer, der sogenannte Muffelofen, bietet Platz für einen zweihundertfünfundzwanzig Kilo schweren Leichnam.« Brantley lachte leise. »Alles, was schwerer ist, muss stückweise hinein. Die

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