Das Fest der Schlangen
wartete ab. Er hatte gelernt, abzuwarten und nicht zu fragen: »Was hat denn das mit irgendwas zu tun?« Auch wenn er es dachte.
»Ich habe ihn ein Weilchen gesucht, aber nichts. Irgendwann dachte ich, Maxie ist von einem Auto überfahren und in eine Mülltonne geworfen worden. Er ist viel rumgelaufen, weißt du, doch er ist immer zurückgekommen. Und dann, ein paar Monate später, haben wir einen Kerl geschnappt, der Hunde klaute. Er gehörte zu einer Bande, die gestohlene Hunde an die Pharmaindustrie verkaufte, für Tierversuche. Höchstwahrscheinlich hatten sie Maxie an eine Arzneimittelfirma verscherbelt, wo er Zigarren rauchen musste oder so was. Und vielleicht ist das ja auch mit deinem Obdachlosen passiert. Er ist an die Pharmaindustrie verkauft worden.«
Bingo hatte Zweifel. »Ein Typ wie er? Ich kann mir nicht vorstellen, dass der viel wert ist.«
»Vielleicht nicht, nur ist das wie bei dem Unterschied zwischen einem Auto und den Ersatzteilen. Du kaufst einen Ford für zwanzigtausend, aber wenn du ihn in lauter Einzelteilen zusammenkaufst, kostet er hunderttausend. Also haben sie deinen Obdachlosen vielleicht stückchenweise verscherbelt. Keine Ahnung. War bloß so ein Gedanke.«
Wie Bingo die Sache sah, war das sein erstes wichtiges Gespräch an diesem Tag, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so wichtig aussah. Er musste darüber nachdenken.
Das zweite wichtige Gespräch ergab sich gegen Mittag, als Bingo einen Detective der Massachusetts State Police anrief, mit dem er ebenfalls schon am Donnerstag gesprochen hatte. Frank Schnell, der Detective, hatte nichts Neues über vermisste Obdachlose zu berichten, aber er hatte auch Informationen über Ernest Hartmann gesammelt.
»Ich habe da was, das Ihnen helfen könnte«, sagte Schnell. »Vor zehn Tagen hat Hartmann sich mit Tommy Meadows getroffen. Der ist Ermittler bei der Gesundheitsbehörde. Ich weiß nicht, worüber sie gesprochen haben, und Meadows macht Urlaub in Europa. Er soll in ungefähr einer Woche zurückkommen. Ich habe ihm eine E-Mail geschickt, aber er antwortet nicht. Er arbeitet an einem Haufen verschiedener Projekte, sagt sein Chef, doch bei einem davon geht’s um Körpermakler. Gefällt Ihnen das?«
Bingo wollte sich im Sessel aufrichten und warf dabei sein Notizbuch zu Boden. »Ja, aber was ist das?« Ihm fielen zu diesem Wort nur weiße Sklaven ein.
»Das Gleiche wie Immobilienmakler, nur für Körperteile. Der Makler bezieht Leichen aus einer Klinik oder aus dem Leichenschauhaus, sogar aus dem Bestattungsinstitut, und verkauft sie an Forschungsfirmen, die praktische Seminare anbieten. Wenn eine Klinik zum Beispiel eine Leiche hat, der sie die Haut abgezogen haben, um brandverletzte Patienten zu behandeln, ist der Rest möglicherweise noch brauchbar. Also wird er vielleicht verkauft. Die medizinischen Fakultäten in Massachusetts kriegen an die fünfzehntausend Leichen im Jahr. Das ist mehr, als sie brauchen, und deshalb machen sie ein paar Tauschgeschäfte. Und hier kommt der Makler ins Spiel.«
»Autoersatzteile«, sagte Bingo.
»Was?«
Bingo wiederholte Degroots Analogie mit den Autoersatzteilen.
»Ja, so sieht’s aus«, sagte Schnell. »Ein Makler kann bis zu hunderttausend Riesen für einzelne Körperteile kassieren, obwohl er die ganze Leiche für nur fünftausend von einer Gewebebank gekauft hat. Oder er kriegt sie umsonst, als Gewebespende. Es gibt Tausende von diesen Übungsseminaren. Der Punkt ist, dass eine Leiche Herkunftspapiere haben sollte, bloß wird das nicht so streng gehandhabt, wie es sein sollte. Angenommen, Sie wollen ein neues chirurgisches Instrument verkaufen, und jetzt haben Sie einen Haufen Ärzte und Chirurgen, die es ausprobieren wollen. Da veranstaltet ein Vertreter so ein Seminar, und der ist nicht allzu heikel, was die Herkunft der Leichenteile angeht. Das könnte ein Problem sein. Jetzt weiß ich nicht, ob Leichenteile die Verbindung zwischen Hartmann und Meadows bilden, doch wenn ja, interessierte Meadows sich vielleicht für die Herkunftspapiere. Wir müssen uns nur noch ein, zwei Wochen gedulden, dann wissen wir mehr.«
Aber Bingo glaubte nicht, dass Brewster noch ein, zwei Wochen würde warten können.
Wenn Bobby Anderson über die Staatsgrenze fuhr, was in Rhode Island schnell passieren konnte, hatte er immer das Gefühl zu schwänzen. Er fuhr ein bisschen schneller und schob den Sitz ein bisschen weiter zurück. Dann konnten Gangster eine Bank ausrauben, und er würde einfach
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