Das Fest der Schlangen
gemacht hatte, wo der Don in die Hölle geschleift wird, wollte er später in sein Notizbuch schreiben. Er würde Skizzen für mögliche Bühnenbilder machen und Aquarelle malen. Zu Hause hatte er eine Schublade voll mit solchen Szenen aus ungefähr zwanzig Opern. Aber das waren nur Fingerübungen. Ihm war klar, dass er niemals eine Anstellung als Bühnenbildner bekommen würde. Wie er allen sagte: »Ich möchte mich nur nützlich machen.« Er würde mithelfen, die Kulissen aufzubauen, und wenn es darauf ankäme, würde er umsonst arbeiten. Sein einziger Wunsch war, ein kleines Rädchen in dem großen Getriebe zu sein.
Doch wenn Bingo seine Zeit als Trooper mit einem großen Erfolg beschließen könnte, würde er sich insgesamt noch besser fühlen. Man würde bei der Verabschiedung ein paar gute Worte über ihn sprechen und ihm sagen, man werde ihn vermissen. Er wollte, dass seine Frau so etwas hörte. Nicht, dass es sie dazu bringen würde, ihn zu mögen – dafür war zu viel Wasser den Bach hinuntergeflossen –, aber es würde ihr klarmachen, dass er als State Trooper geschätzt worden war.
Bingo hatte keine Erwartungen in Bezug auf das, was er vielleicht von Brantley erfahren würde, er hatte nur das Gefühl, dass er da eine kleine Spur hatte. Er hatte eine Spur, und er wollte sie mit niemandem teilen.
Was Trooper Rodger Legros anging, so hatte der nichts Besseres zu tun, als Raser auf dem Highway 95 zu stoppen, und deshalb kam er gern mit, auch wenn es bedeutete, dass er den Fahrer spielen musste. Die Oper mochte er nicht, und er hoffte, Bingo würde nicht anfangen zu summen, auch wenn das, wie er wusste, unumgänglich war. Zumindest würde man es beim Motorengeräusch des Streifenwagens, dem Klatschen der Scheibenwischer und dem Prasseln des Regens auf dem Dach nicht so gut hören. Legros war dreißig Jahre alt und seit fünf Jahren verheiratet. Seine Frau hieß Sally, und sie hatten zwei Kinder.
»Was gibt’s Neues in Brewster?«, fragte Legros. Er war beim Krankenhaus im Einsatz gewesen, als das Baby geraubt wurde, war jedoch seitdem nicht wieder da gewesen.
»Sie rechnen mit viel Betrieb heute Nacht. Wir haben Halloween.«
»Soll ja Schnee geben. Werden die Kids um die Häuser ziehen?«
»Der Bürgermeister hat es nach achtzehn Uhr verboten. In der Turnhalle gibt es eine Veranstaltung, und in ein paar Kirchen finden Partys statt. Aber die meisten Eltern behalten ihre Kinder zu Hause.«
»Das Ganze ist Hexerei, stimmt’s? Oder Teufelsanbetung?«
»Wahrscheinlich versucht da eher jemand, auf die krumme Tour ein paar Kröten zu machen.«
Zwei Autos standen vor dem Krematorium. Legros hielt neben ihnen an.
»Sehen Sie sich den Rauch an«, sagte er. »Da geht jemand zu seinem Schöpfer.«
Bingo äußerte sich dazu nicht. Er fand das Gebäude hässlich: Hohlblocksteine und ein Flachdach. Allerdings konnte er sich nicht vorstellen, wie ein »hübsches« Krematorium aussehen würde. Hinter dem Krematorium begann der endlose Wald des Arcadia-Naturparks. Bingo bemerkte die kleine Überwachungskamera über dem Eingang. Er öffnete die Tür und trat ein.
Manchmal stößt man auf einen Anblick, der so schockierend ist, dass man das Gefühl hat, die Synapsen schalten sich zu ihrem eigenen Schutz ab. Bingo grunzte. Vor ihm auf einem Tisch lag Ronnie McBrides Kopf. Sein Mund war mit Lippenstift beschmiert. Ein Mann stand davor und schminkte ihn, legte Lidschatten und Rouge auf. Bingo kannte diesen Mann – Jimmy Soundso, ein Notfallsanitäter. Musik lief, aber Bingo erkannte nicht, dass es Musik war: Es war die Heavy-Metal-Band War of Ages, und sie spielten »All Consuming Fire«. Der Sänger knurrte, und die Musik war laut.
Trooper Legros war Bingo gefolgt und prallte gegen ihn, als Bingo so plötzlich stehen blieb. Dann sah auch er den Kopf. »Ach, du große Scheiße!«
Jimmy hörte seine Stimme und blickte auf. Er wusste, dass es jetzt Ärger geben würde. »Larry!«
Bingo machte ein paar Schritte vorwärts. Er bemühte sich nach wie vor zu verstehen, was Ronnie McBrides Kopf auf dem Tisch zu suchen hatte, aber was immer es sein mochte, ihm war klar, dass es nichts Legales war. Bingo trug eine Sig P 229 in einem verdeckten Halfter auf der rechten Hüfte. Er schlug sein Jackett zurück, um sie zu erreichen.
Da erschien ein zweiter Mann – Bingo registrierte ihn als einen grauen Mann – auf der anderen Seite des Ofens. Er hielt eine schwarze Pistole in der Hand, und Bingo erkannte die Browning
Weitere Kostenlose Bücher