Das Fest der Schlangen
Lajoie läutete und klopfte, wartete und klopfte noch einmal. Über der Haustürtreppe war ein kleines Vordach, aber es war nicht groß genug, um sie trocken zu halten. Balfours Fenster waren mindestens einen Meter achtzig hoch. Durch das nächstgelegene spähte Lajoie in ein Wohnzimmer, das sie an einen Raum im Museum denken ließ: schöne Antiquitäten, nicht vollgestopft, alles an seinem Platz. Zwei Ohrensessel mit Knopfpolster standen rechts und links vor einem Kamin mit grünen und gelben Kacheln.
»Hübsch, der Kram«, sagte Detective Lajoie. Sie lief zur Haustür zurück und wartete weiter. Sie erwartete auch einen Anruf von einem Detective des Sittendezernats Manhattan South, mit dem sie über Maggie Kelly gesprochen hatte. Der Detective hatte am Morgen angerufen und gesagt, er habe einen Hinweis auf den Wohnort des Mädchens. »Ich schicke Ihnen eine Schachtel Pralinen«, hatte Lajoie gesagt.
Der Detective hatte abgewehrt. »Mein Cholesterinspiegel reicht bis knapp unter die Haarspitzen.«
Lajoie liebte Zufälle, und sie liebte Glückstreffer. Sie liebte das Eintreten des absolut Unerklärlichen. Nur glaubte sie an nichts dergleichen. Am besten gefiel ihr, was ein Lehrer auf der Polizeischule gesagt hatte. Er hatte Louis Pasteur zitiert: »Auf den Gebieten der Beobachtung bevorzugt das Glück den Verstand, der vorbereitet ist.« Von diesem Grundsatz hatte sie sich in ihren Jahren als Trooper leiten lassen. Deshalb war sie jetzt nicht überrascht, als der Detective aus Manhattan anrief und berichtete, er habe Maggie Kelly in Gewahrsam genommen.
»Aber ein Baby hatte sie nicht bei sich«, sagte er, »und sie redet nicht.«
Detective Lajoie dachte einen Moment lang nach. Es war erst vier Uhr, doch die schwere Wolkendecke erweckte den Eindruck, es wäre schon viel später. Sie hasste den Gedanken daran, dass in der nächsten Woche die Zeit umgestellt werden würde. Dann würde sie sich fühlen wie in Alaska. San Pedro de Atacama war nicht nur sehr trocken, es war dort auch sehr hell.
»Sagen Sie ihr, Sie wüssten, dass Dr. Balfour das Baby entbunden hat. Jonathan Balfour.«
»Wird gemacht.«
Während Lajoie wartete, fragte sie sich, wie es wohl wäre, eine Wohnung zu haben, die so hübsch war wie Dr. Balfours. Ihre eigene Dreizimmerwohnung sah aus wie eine billige Suite im Holiday Inn, aber ohne die kleinen Fläschchen mit Shampoo, Conditioner und Lotion. Selbst wenn sie ein Bild kaufte, um es aufzuhängen, war es am Ende immer ein hässliches Bild. Sie hatte das Talent nicht, das wusste sie. Sie hatte es einfach nicht.
»Okay, ich hab’s ihr gesagt«, meldete der Detective.
»Und?«
»Sie hat eine Scheißangst bekommen.«
»Verhaften Sie sie. Ich kümmere mich um die Auslieferung.«
»Mit welcher Begründung? Weil sie ihr Baby verkauft hat?«
»Genau.«
Woody erreichte Balfours Wohnung in der Ash Street, als Detective Lajoie mit ihrem Mazda 6 eben aus der Einfahrt fuhr. »Er ist nicht zu Hause!«, rief sie.
Woody parkte am Randstein und kam zu ihrem offenen Seitenfenster.
»Sie werden nass«, sagte sie. »Steigen Sie ein.«
Er stieg ein, und sie redeten. Sie erzählte ihm von Maggie Kelly, und er berichtete, was Bobby über Kojoten in Erfahrung gebracht hatte.
»Wir werden ihnen den Schwanz am Boden festnageln!«, verkündete Lajoie beglückt.
»Vielleicht.« Er war oft überrascht von Lajoies Ausdrucksweise, besonders wenn sie gekleidet war wie eine Grundschullehrerin.
»Können wir Balfour in die Fahndung geben?«
»Ich werde Brotman fragen«, sagte Woody, »aber ich bezweifle es. Wir haben noch nichts Konkretes.«
»Und wie wär’s mit einem Durchsuchungsbeschluss für seine Wohnung?«
»Das könnte gehen. Was, glauben Sie, würden wir da finden?«
»Mit etwas Glück eine Totenkopfmaske.«
Woody bezweifelte, dass Balfour derart nachlässig wäre.
»Was Neues über Carl Krause?«, fragte Lajoie.
»Kein Wort.«
»Wahrscheinlich ist er inzwischen in Mexiko.«
»Wieso in Mexiko?«
»Kühle Köpfe gehen nach Kanada. Die Irren zieht es in den Süden. Ist immer so. Haben Sie das noch nie bemerkt?«
Hatte er nicht. Als er wieder in seinem Truck saß, rief er Captain Brotman an. Der war bereit, einen Durchsuchungsbeschluss zu beantragen, wollte jedoch von einer Fahndung nichts wissen. »Schließlich ist der Mann Arzt«, sagte er, und einen Moment lang war es still. Brotman und Woody wussten beide, dass es völlig egal war, ob einer Arzt war oder nicht.
»Passen Sie auf«, sagte
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