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Das Fest der Schlangen

Das Fest der Schlangen

Titel: Das Fest der Schlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Dobyns
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Allradantrieb. Er sah sich nach einer Stelle zum Wenden um, fand jedoch nichts Geeignetes. Bäume, Lorbeergebüsch und Sumpf, wohin er auch schaute. Er legte sich die Pistole auf den Schoß, schaltete in den Rückwärtsgang und spähte durch das Heckfenster. Dann ließ er das Seitenfenster herunter. In der Luft hing der schwere Geruch von nassem, modrigem Laub. Zweimal geriet er beinahe in den dicken Schlamm des Sumpfs. Er fuhr praktisch im Schneckentempo, nur die zunehmende Angst ließ ihn Gas geben und dann jäh wieder bremsen, als er auf den Morast zusteuerte.
    Nach fünf Minuten erkannte er undeutlich den Parkplatz. Aber da stimmte etwas nicht: Die Schranke war unten. Wieder bremste er ab und fuhr bis auf drei Handbreit an die Eisenstange heran. Er griff nach seiner Pistole und wollte aussteigen, doch dann sah er, dass jemand vom Parkplatz her auf den Ford zukam. Hartmanns Herz machte einen Satz, bevor er erkannte, dass der Mann eine Uniform trug. Vermutlich war es ein Naturpark-Ranger, und dann hatte der auch die Schranke heruntergelassen.
    Der Mann hatte eine Taschenlampe in der Hand, und das grelle Licht blendete Hartmann, als der Mann sich der Wagentür näherte.
    »Ein Glück, dass ich Sie noch erwischt habe, bevor Sie verschwinden«, rief Hartmann durch das offene Fenster. Die Pistole hielt er unterhalb der Fensterkante.
    Der Mann beugte sich herunter und richtete die Taschenlampe schräg auf sein eigenes Gesicht. Aber da war kein Gesicht. Da war nur ein Schädel mit großen dunklen Löchern, wo die Augen hätten sein müssen. Der Mund war ein schwarzer Schlitz.
    Hartmann erstarrte mit offenem Mund. Er wollte sprechen, brachte jedoch nur ein lang gezogenes »Aaaaa« heraus. Das war sein letztes Geräusch. Der Mann am Fenster hob die andere Hand und stieß Hartmann ein langes Messer in die Brust. Dabei trat er zur Seite, um nicht mit Blut bespritzt zu werden. Er zog das Messer hoch, damit der Körper im Todeskampf nicht von der Klinge rutschte. Hartmanns Hände zuckten, und seine Füße strampelten zwischen den Pedalen, dann hörten alle Bewegungen auf.
    Der Mann zog das Messer heraus, langte in den Wagen und tauchte die Hand in das warme Blut. Mit blutigen Fingern malte er ein Smiley auf das hintere Seitenfenster, richtete seine Taschenlampe auf das Kunstwerk und war anscheinend zufrieden. Er beugte sich in das Fenster auf der Fahrerseite und packte das dichte braune Haar. Mit seinem Messer zog er einen geraden Schnitt quer über Hartmanns Stirn.
    Harriet Krause stand vor dem Badezimmerspiegel und starrte die rote Schwellung an ihrer Wange an. Sie hatte ein schmales, zartes Gesicht mit einer geraden Nase und dunklen Augen. Der Bluterguss bedeckte die ganze linke Wange. Carl hatte sie mit der flachen Hand geschlagen, als er zurückgekommen war, nachdem er den Jungen die Straße hinunterverfolgt hatte. Übrigens hätte er sie beinahe auch geschlagen, als er am Morgen vom Polizeirevier zurückgekommen war. In beiden Fällen beschuldigte er sie, den Leuten zu helfen, die es auf ihn abgesehen hatten, was immer das heißen sollte.
    »Warum sollte es jemand auf dich abgesehen haben?«, hatte sie gefragt. Er hatte sie angesehen, als wäre sie schwachsinnig, und sein Blick war misstrauisch geworden. Mit polternden Schritten war er die Treppe hinaufgegangen.
    Der Schlag hatte wehgetan, doch was sie viel mehr störte, waren die Veränderungen, die in den letzten Monaten über Carl gekommen waren, Veränderungen, für die sie keine Erklärung hatte. Im April vor einem Jahr hatten sie geheiratet, und das erste Jahr war wunderbar gewesen. Sie waren gierig nacheinander gewesen, aber auch liebevoll. Carl war in dieser Zeit mehr als einmal aus der Haut gefahren, hatte jedoch nie sie oder die Kinder geschlagen. Als er im August dann seinen Job bei der Installationsfirma Phelps verloren hatte, war er nach Hause gekommen und hatte einen Stuhl zur Seite getreten, eine Vase zerbrochen und die von ihrer Mutter getöpferte Lampe zertrümmert. Und er hatte geschrien, sogar gefaucht, in seiner Wut auf Howard Phelps, der Carls Verhalten kritisiert hatte, weil Carl einem Kunden gegenüber wütend geworden und weil es nicht das erste Mal gewesen war, dass Carl zu jemandem grob wurde.
    Harriet hatte in der Küchentür gestanden und zugesehen, wie Carl das Wohnzimmer verwüstete. Gesagt hatte sie nichts. Sie war zu verblüfft gewesen, um zu sprechen. Als er fertig war, hatte er sich auf die Couch gesetzt und den Kopf in die Hände

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