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Das Fest der Schlangen

Das Fest der Schlangen

Titel: Das Fest der Schlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Dobyns
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Weg, während Hunderte von anderen Plänen, Hoffnungen, Träumen und so weiter auf Eis gelegt wurden – nur wegen Ernest Hartmann. Nein, das stimmt nicht ganz. Das Skalpieren hatte viel damit zu tun. Das Skalpieren bedeutete: kein Trödeln, keine langen Kaffeepausen. Noch mehr State Trooper, Polizisten aus South Kingstown, Naturpark-Ranger, indianische Stammespolizisten und dann die State Police von Massachusetts und die Polizei aus Watertown (Hartmann wohnte in Watertown) und aus Boston (Hartmann hatte sein Büro in Boston) – oh, da wurden etliche in Bewegung gesetzt. Sie waren entsetzt, empört, wütend, geschäftsmäßig, fleißig, sogar ein bisschen aufgeregt. Schließlich hatte noch niemand mit einer Skalpierung zu tun gehabt.
    Dann war da der Smiley. Im Laufe der Nacht war das Blut getrocknet und teilweise abgeblättert, aber es war noch genug da, um Wirkung zu erzielen: ein Kreis von etwa fünfzehn Zentimetern Durchmesser, ein breites Grinsen und Glotzaugen. Die meisten Morde sind Verbrechen, die aus Leidenschaft oder kalter Berechnung begangen werden. Dieser hier sah nach Wahnsinn aus. Sicher sah man hier besser Wahnsinn als Berechnung am Werk, denn welcher Mensch, der bei gesundem Verstand war, würde so etwas tun?
    Wenn man sich alle diese Polizisten als einen großen Körper vorstellt, dann bildeten die Journalisten den Schatten dieses Körpers. Landesweite Networks und Kabelnachrichtensender schickten Hubschrauber. Die Journalisten der Presse kamen mit Autos, aber es waren schnelle Autos. Alle nahmen an, dass die Skalpierung und das entführte Baby miteinander zusammenhingen. Beide Taten waren in den Augen der Öffentlichkeit gleichermaßen unerhört, und wie sollten sie da nicht zusammenhängen? Dass es keinen Beleg für einen Zusammenhang zwischen den beiden Verbrechen gab, war kein Hindernis für die hochfliegenden Phantastereien über die Täterschaft, und die Hirngespinste reichten von einem einzelnen Irren bis zu Besuchern aus dem Weltall. Und unter all dem lag Angst. Für manche war die Angst wie ein Kribbeln in der Kehle, wenn eine Erkältung im Anzug ist, und anderen lag sie wie ein schwerer Klotz im Magen. Allen graute vor dem, was als Nächstes passieren würde.
    Woody Potter und Bobby Anderson pflügten sich mit hochgezogenen Schultern durch die Arbeit, inzwischen unterstützt von fünf weiteren Detectives der State Police.
    »Hey, Boss«, sagte Bobby, »schon gesehen, dass die CIA ein Team geschickt hat?«
    »Red keinen Scheiß.«
    »War ’n Scherz, Boss, war ’n Scherz.«
    »Wundern würde es mich nicht.«
    Jean Sawyer im Brewster Brew hatte eine Menge neuer Gäste, die literweise Kaffee tranken, pfundweise Gebäck aßen und gute Trinkgelder gaben. Jedem, der es hören wollte, erzählte sie von ihren Unterhaltungen mit Ernest Hartmann, und mit jeder Wiederholung bekamen sie ein größeres Gewicht. »Er erkundigte sich nach Wrestling Brewster, dem Gründer unserer Stadt. Ich habe ihm erzählt, › Wrestling ‹ beziehe sich auf den Ringkampf mit dem Teufel, was auch stimmt. Er sagte, er habe das Werk des Teufels im Laufe seines Lebens schon gesehen, und wollte wissen, ob ich den Teufel hier in Brewster zu Gesicht bekommen hätte. Ich habe darauf geantwortet, wundern würde es mich nicht. Da sah er plötzlich aus, als hätte er Angst. Ungefähr vier Stunden lang saß er da, trank einen Kaffee nach dem andern und sah mit jeder Minute ängstlicher aus. Dann kam ein Anruf, der ihn wirklich umhaute. Als er ging, konnte er vor lauter Zittern kaum laufen.« Es kam noch mehr. Tatsächlich hörte es überhaupt nicht auf. Solche Geschichten brachten etwas ein.
    Oft kommt es vor, dass zu wenige Polizisten an einem Fall arbeiten, aber hier waren es zu viele, zumindest Woodys Meinung nach. Zu viele Zuständigkeiten waren im Spiel, und anfangs gab es keine Task Force – ein Wort, dessen bloße Aussprache so viel Gewicht hatte, dass ein Problem gelöst zu sein schien –, weshalb keine klare Befehlskette erkennbar war. Woody und Bobby unterstanden unmittelbar dem verantwortlichen Lieutenant des kriminalpolizeilichen Bereichs, wenn auch nur zu Anfang. Weil die State Trooper in Brewster und die State Trooper, die im Great Swamp arbeiteten, aus verschiedenen Revieren kamen, mussten ihre Lieutenants die Ermittlungen über den für District B zuständigen Commander koordinieren, und es gab noch andere Gemeinde-, Staats- und Bundesbehörden. Das Resultat, so sah Woody es, war ein Haufen von Einzelkämpfern,

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