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Das Fest der Zwerge

Das Fest der Zwerge

Titel: Das Fest der Zwerge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Polzin
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dem Boden, umklammerten ihren prallen Wanst, stöhnten leise und warteten auf die Morgendämmerung. Dann würden Yarnis Sicherheitspaschaner sie in Schubkarren stapeln und nach Hause fahren, wo sie die ersten Tage des Storchenjahrs gern verschliefen.
    In einer stillen Ecke des Duftenden Bauchs saß, mit einem Kapuzenumhang bekleidet, ein junger Mann namens Kirin, der Spielzeug und verschiedenerlei Kuriositäten herstellte. Er war ein freundlicher Mensch, doch recht geheimnisvoll. Niemand wusste, woher er kam, und meist wurde er – trotz der hier herrschenden lässigen »He-wie-geht's-altes-Haus-oje-jetzt-hab-ich-dir-versehentlich-aufs-Maul-gehauen«-Atmosphäre – in Ruhe gelassen, da ihn eine gefährliche Aura umgab: eine Aura, die fast gänzlich von seinem besten Freund Stachel ausging, einem eigenartigen paschanerähnlichen Geschöpf von üblem Naturell und noch schlechterem Ruf, das momentan hinter Kirins Stuhl stand. Es gelang ihm, sich mit undurchsichtiger Miene in der Taverne umzuschauen und dabei grenzenlose Bedrohung auszustrahlen, obwohl er an allem, was ihn umgab, absolut desinteressiert war. Neben Kirin saß Maya, eine klug wirkende, kurzhaarige junge Hexe von der Universität Enki. Die gutmütigen Seelen im Duftenden Bauch hatten schon oft gewettet, wann Kirin und Maya wohl endlich bemerkten, dass sie ein Paar werden würden. Jahre waren vergangen, doch die beiden blieben weiterhin hartnäckig ungebunden.
    »Ich bin zu Hause«, verkündete Maya fröhlich verwirrt. »Ich geh nach blau, Kirin.«
    »Ich weiß nicht, warum du mehr trinkst, als du vertragen kannst«, sagte Kirin verärgert. »Willst du wirklich jetzt schon gehen? Dann verpasst du doch die Schlägerei, das Mitternachtsfummeln und die andere Schlägerei, die danach losgeht.«
    »Ich weiß, warum du nicht gehst, dass ich will«, sagte Maya, schloss ein Auge und lächelte friedlich. »Du willst mich in der zwölften Küsse stunden.«
    Kirin lächelte. Er streichelte ihre Wange, und sie lächelte ihn fragend an. Dann versetzte er ihr einen sanften Schubs, und sie sackte nach vorn auf den Tisch und fing an zu schnarchen.
    »Tust du mir den Gefallen und bringst sie nach Hause, Stachel?«, fragte Kirin. »Hier geht's bald rund, und sie könnte sich verletzen.«
    Stachel nickte. Er warf Maya über seine Schulter und ging. Dabei sorgte er ungewollt für den Untergang von Triogs neuen Möbeln: Er trat beim Hinausgehen auf den Fuß eines Vamanen. Der rechtschaffen erzürnte Vamane erhob sich wie ein Rachegeist, um Vergeltung zu verlangen, schaute Stachel an, beschloss, keinen Selbstmord zu begehen, und verpasste lieber einem vorbeikommenden Seemann eine Ohrfeige.
    Der Seemann entpuppte sich bei näherem Hinsehen als der Gefürchtete Pirat Fuchsrotbart. Er ließ seine mit einem Haken versehene Hand auf den Tisch des Vamanen krachen und warf die Getränke der dort sitzenden Gäste um.
    Dies war eine Kriegserklärung. Triog stöhnte auf. Der Rest des Bauchs jubelte, zückte bisher verborgene Waffen, krempelte die Ärmel hoch und legte los.
    Kirin zog sich in den Schatten seiner Ecke zurück, verharrte dort und rührte sich nur, um jenen einen vorausschauenden Stoß oder Tritt zu versetzen, die ihm in ihrer Freundlichkeit zu nahe kamen. Die Luft war voll von saftigen Kraftausdrücken, fettem Essen und wirklich fetten fliegenden Vamanen. Yarnis Paschaner traten und droschen wild um sich und gingen gelegentlich unter dem Ansturm der in Leder gekleideten tretenden, beißenden und krakeelenden Brummer-Banditen zu Boden.
    Triog stand hinter dem Tresen, beobachtete das Geschehen mit stiller Resignation, entbot seinen zerbrechlicheren Kundinnen Asyl und warf Houstarr hin und wieder ins Kampfgetümmel zurück.
    Die Schlägerei tobte schon eine ganze Weile, als jemand »Frohes Neues Jahr!« rief.
    Wie ein Blitz trat im Duftenden Bauch Frieden ein. Die Gäste warfen ihre Waffen weg, schnappten sich den, der ihnen gerade am nächsten war, drückten ihn an sich und wünschten ihm Liebe, Glück, Frieden und körperliche Zuneigung in reichlicher Menge. Dann weinte man Freuden- und Zusammengehörigkeitstränen. Bei anderen waren es vielleicht auch Schmerzenstränen. Überall im Bauch stampften Kolifüße fröhlich über die vom Alkohol benommenen Leiber der Gäste und wateten durch Pfützen von Alkohol, Körperflüssigkeiten und Lebensmittel in den verschiedensten Verdauungsstadien. Hysterische Fremdlinge versicherten ihren neuen Freunden unsterbliche Liebe. Alle Frauen

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