Das Fest der Zwerge
Mitternacht einen winzigen Gorillasäugling in den Händen. Es war, wie ihr vielleicht noch wisst, das Jahr des Affen. Sie nannten den Gorilla Gigantix. Wie sich zeigte, war dies eine prophetische Entscheidung.
Gigantix war ein außergewöhnlich kluger und liebenswerter Gorilla. Am Ende seiner Frühlingsmonate waren die Hüter ihm überaus zugetan. Er war kein gewöhnlicher Affe – dies nicht nur wegen seiner Rolle als Jahresmaskottchen –; er war außerordentlich intelligent. Er beherrschte siebzehn Schriftsprachen, konnte seine Hüter perfekt nachahmen und war in jeder Hinsicht ein entzückender und beliebter Primat. Die Hüter ließen ihn in ihre Hütten, wo er zuschaute, wenn sie über Landkarten und astrologischen Diagrammen hockten. Eine Hüterpflicht besteht darin, das Tier des nächsten Jahres vor der Neujahrsmitternacht zu beschaffen. Da sie dazu oft in entlegene Ecken der Welt reisen müssen, sind ihre Hütten voller Landkarten, Reiseandenken und Briefe von Herrschern aus aller Welt, die ihnen freies Geleit zusichern. All dies war für einen geselligen jungen Gorilla eine Schatztruhe des Lernens. Als das Frühjahr zum Sommer heranreifte, belauschte Gigantix – inzwischen ein prächtiger zottiger Geselle mit klugen, glitzernd schwarzen Augen – die Mönche und erfuhr den wahren Grund für seine ihm bis dahin völlig unbekannte Gefangenschaft. Da war er verständlicherweise traurig. Er war ein äußerst anziehender und kluger Gorilla in den besten Jahren, der sich nach Abenteuern und Romantik sehnte – doch nun würde er in wenigen Monaten alt sein und sterben und nie erfahren, wie es war, wenn man lebte und liebte!
So kam es, dass Gigantix im ersten Wintermonat entfleuchte, denn er hatte keinesfalls die Absicht, zu sterben, ohne zuvor die Welt gesehen zu haben.
Natürlich war den Hütern zuvor auch schon mal ein Mündel entwischt: Zugvögel, Fische und kleine Nager sind nicht leicht festzuhalten, und viele Tiere von Natur aus Herumtreiber. Doch in ihrem Park beschäftigten die Hüter gut ausgebildete Wächter: mächtige Adler am Himmel, Schnappschildkröten und Wasserschlangen in den Bergseen und Flüssen. Und dazu Hunde, Bergziegen und Maulwürfe, die Flüchtlinge stets innerhalb weniger Tage in den Park zurücktrieben. Gigantix' Flucht war jedoch ganz anders gelagert: Sie war glänzend geplant und ausgeführt worden. Der Gorilla war spurlos verschwunden und hatte weder Fußspuren noch Witterung hinterlassen. Ich weiß, es klingt unglaublich, dass ein Tier solcher Größe irgendetwas tun kann, ohne dass die Öffentlichkeit davon erfährt, aber genau das war ihm gelungen.
Nun hielt ich mich zufällig in dieser Region auf, denn ich musste einem in diesem Gebiet lebenden Parteigänger aus Kol ein Schreiben der Obersten Zivilistin überbringen. Stellt euch meine Verblüffung vor, als ich Goldsplitter auf der Suche nach dem Gorilla in den Bergen herumspringen sah. Ich hielt ihn natürlich für verrückt und setzte meinen Botengang fort, doch ein glücklicher Instinkt rief mich einige Tage später zurück, und ich entdeckte den Park der Hüter und freundete mich mit ihnen an.
Die Hüter waren natürlich verzweifelt – ohne Gigantix konnte das alte Jahr schließlich nicht enden und das neue nicht beginnen. Dies war, um es vorsichtig auszudrücken, kein sekundäres Problem. Ihre Besorgnis ließ sie ihre Diskretion vergessen. Ich entdeckte bald ihre Geheimnisse und eilte nach Kol zurück, um der Zivilistin zu berichten, was passiert war. Dort endet mein Teil der Geschichte; den Rest sollte Fujen erzählen.
Na schön. Hört zu, ich bin keine große Geschichtenerzählerin. Also mache ich es kurz. Einverstanden? Ich saß also in meiner Hütte und steckte meine Nase nicht in anderer Leute Angelegenheiten (sagte Fujen), als ausgerechnet mein alter Freund bei mir hereinplatzte, der Spion der Spione, der Meuchler der Meuchler, der Silberne Dolch höchstpersönlich.
Nun bin ich zwar Piratin von Beruf, doch von Zeit zu Zeit helfe ich dem Dolch und seiner Silbernen Phalanx – die Bezahlung ist gut, und das Abenteuer noch besser.
Dies war in der Tat ein außergewöhnlicher Fall. Ein Gorilla war aus einer Art Bergkloster entlaufen und hatte sich dabei einer Art Transportzauberspruch bedient. Außerdem war er sehr klug. Anhand gewisser Briefe, die der Affe gestohlen hatte, wusste der Dolch, wohin er gehen wollte: Es waren Freibriefe zum Betreten einer gewissen geheimen Insel, die die Marine von Xi'en schwer
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